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Ursel benannt. Diese plagte schon im Leben, mit ihrer heulenden Stimme, das ihre Mitschwestern, und störte oft den Chorgesang. Darum nannte man sie Tut-Ursel. Aber, viel schlimmer wurde es nach ihrem Tode. Denn von eilf Uhr des Abends an steckte sie den Kopf, durch ein Loch des Thurms, in das Chor der Kirche, und tutete kläglich; und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Chorgesang ein.

Einige Tage ertrugen dies ihre Schwestern mit klopfendem Herzen und bebenden Knien. Aber, als sie den vierten Morgen mit einstimmte, und eine der Nonnen, mit leiser zitternder Stimme, zu ihrer Nachbarin sagte: „Ha – das ist gewiß die Ursel!“ da schwieg plötzlich der Gesang, die Haare sträubten sich auf, und alle Nonnen stürzten aus der Kirche, halblaut schreiend: „Ha! Tut-Ursel! Tut-Ursel!“ – Und keine der gedrohten Bussen und Strafen vermochten eine der Nonnen,

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Johann Karl Christoph Nachtigal: Volcks-Sagen. Wilmans, Bremen 1800, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otmar_Volcks-Sagen.pdf/245&oldid=- (Version vom 1.8.2018)