Seite:Otmar Volcks-Sagen.pdf/350

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bei dem halberstädtischen Dorf Warnstedt, das zwischen Thale und Quedlinburg liegt, finden sich zwei Berge, in denen man häufig Gerippe und Menschenknochen, auch zuweilen Urnen, ausgräbt.

1) Auf der Süd-Seite des Dorfs, etwa eine Viertelstunde von dem Dorf Thale (sonst Wend-Thal) und dem ehemaligen Wend-Haus, an dem Felsenriff, den das Volk die Teufels-Mauer nennt, ist ein flacher Berg-Rücken, der jetzt größtentheils in Ackerfeld verwandelt ist. Das Volk nennt diesen Bergrücken: „Der Lüttgen-Kirchhof“ d. h. den Begräbnißplatz der kleinen Leute[1].


  1. Auffallend ist es, daß das Volk diesen Begräbnißplatz auch „den Mäken-Kirchhof“ nennt. – Mädchen-Kirchhof (auf welche Deutung gewöhnlich der Sprachforscher zuerst fällt) kann dies nicht bedeuten, theils, weil man wohl nirgends für Kinder weiblichen Geschlechts, in der Vorzeit abgesonderte Begräbnißplätze findet, theils besonders, weil man in jenen aufgebrochnen Grabmahlen nie Ueberreste von weiblichen oder Kinder-Körpern, sondern immer [351] Gerippe von handfesten Männern, gefunden hat. – Vielleicht leitet dieser Name zur Entdeckung des bestimmtern Namens jenes zurückgedrängten und ausgewanderten Völkerstamms. Vielleicht hat er mit dem Namen „Möckern“ womit mehrere Orte in solchen Gegenden, die sonst von Wenden bewohnt wurden, bezeichnet sind, gleichen Ursprung. – Doch ist es auch möglich, daß „Mäken“ nur ein provinzieller Ekelname war, den das herrschende Volk von einer auffallenden, stotternden (mäckernden) Aussprache des kleinern Volks entlehnte.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl Christoph Nachtigal: Volcks-Sagen. Wilmans, Bremen 1800, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otmar_Volcks-Sagen.pdf/350&oldid=- (Version vom 1.8.2018)