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seiner Treue versichert hat, mit den bekannten Worten eines Kirchenliedes:

Mein Lebetage will ich dich, aus meinem Sinn nicht lassen,
Ich will dich stets, gleich wie du mich, mit Liebesarmen fassen.
Du sollst seyn meines Herzens Licht,
Und wenn mein Herz in Stükke bricht
Sollst du mein Herze bleiben.
Ich will mich dir mein höchster Ruhm,
Hiemit zu deinem Eigenthum,
Auf immerhin verschreiben.

Klingt diese abgerissene Stelle in diesem Sinne nicht naiv genug?

Das Landmädchen ist beim Beginnen der Liebe gewöhnlich scheu und blöde. Sie verbirgt die Empfindungen ihres Herzens vor ihrem Liebhaber, und noch mehr vor andern. Zwar dringt sie ihr Herz unaufhaltsam zu jenem hin, und sie verschmäht keine Gelegenheit zu einer einsamen Zusammenkunft. Aber ihrem Freunde gegenüber ist sie stumm und schüchtern, und verhält sich bei allen seinen Liebkosungen und bei dem mächtigsten Triebe der Zärtlichkeit nur leidend. Eine natürliche Schamhaftigkeit erlaubt ihr’s nicht, ihm zu sagen, daß sie ihn liebe, vielweniger ihn zu umarmen. Es gehört

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)