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die unzweideutige Gefälligkeit des Mädchens zu wälzen, und dies wekt und nährt die Eifersucht, die, wie man weiß, sehr leichtgläubig ist; oder Aeltern und Hauswirthe schneiden sorgfältig der Jugend alle Gelegenheit zu weitern Zusammenkünften ab, um solche Entzweiungen, deren Folgen sehr oft auf sie zurükfallen, zu vermeiden. In manchen Dörfern breitet sich die Eifersucht der Jünglinge noch weiter aus. Sie sehen alle Mädchen ihres Dorfes als ihr Eigenthum an, und verwehren jedem Fremden den Eintritt. Läßt er sich’s gelüsten, so kann’s ihm vielleich ein – zweimal gelingen; aber nun stehen ihm die beleidigten Landsleute seiner Dirne nächtlicher Weile in den Weg, und nehmen entweder die Rache, die der besagte zürnende Liebhaber an seinem Nebenbuhler zu nehmen pflegt, – oder sie waschen ihn tüchtig in dem Brunnen, - oder sie schneiden dem armen Wichte gar die Haare ab.

Der Jüngling vergißt es selten seinem Mädchen gegenüber, daß er Mann ist, und verfällt nie in die niederträchtigen, sich selbst hinwegwerfenden Schmeicheleien, die die süssen Herren und Romanhelden in der Stadt ihren Schönen vorschwazzen. Er sagt ihr vielleicht mit holder, anschmiegender Gebährde: Thrine Du bist mein Ein und mein

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)