Seite:Pahl Ueber die Liebe unter dem Landvolk.pdf/22

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in sich zu unterdrücken. Aber welch’ ein schwerer Kampf wartet seiner, wenn er ihren Schlingen entgehen will?

Und doch wird sie tausendmal besiegt, und tausendmal trägt die Schamhaftigkeit und Züchtigkeit des Mädchens den Preis über die schüchternen Versuche ihres Vertrauten davon.

Mächtig wirkt freilich auf das Mädchen die Vorstellung des tiefen Unglüks, in das sie dann hinstürzen würde, wenn sie gutwillig genug wäre, um Mutter zu werden. Dadurch verlöhre sie ihre jungfräuliche Ehre – und die hat auf dem Lande noch grossen Werth – und die Zeichen derselben. Sie dürfte dann keine weisse Schürze mehr tragen, beim Gevatterstehen und bei Hochzeiten das Haar nicht mehr mit Gold und Silber schmüken, in der Kinderlehre nicht mehr vorstehen, ja auch das schmeichelhafte Vergnügen wäre für sie dahin, an der Kirchweih zum Tanze geführt zu werden. Eben dies Ehrgefühl, das auf den Vornehmern immer mehr wirkt als auf den geringern, erklärt auch die Erfahrung, daß die Töchter der Häusler und der Taglöhner den Reizen des Fleisches weit öfter unterliegen als die Töchter der grössern Bauern. Aber die Ehre ist nicht der einzige Verlust. Vielleicht so dringend als er warnen der Zorn der Eltern, die oft noch

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)