Seite:Pahl Ueber die Liebe unter dem Landvolk.pdf/25

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Indeß ist ein Dorf dem Verfall der Sitten näher als das andre. Dörfer, die in der Nachbarschaft grosser Städte liegen, oder auch die, in denen wohllüstige Junkers die schönen Monathe des Jahrs durchrasen, sind, dem Zeugniß der Erfahrung zu Folge, immer am meisten verpestet. Wär’s auch durch nichts als durch ihr Beispiel, das, wenn es die Vornehmen geben, einen gewaltigen Strom bildet, mit dem die geringern fortgerissen werden.

Was bei Verheirathungen erste Rüksicht seyn sollte, und was dem Eintritt in die Ehe, die höchste Süßigkeit giebt, die Liebe nämlich, wird beim Landvolke meistens ganz auf die Seite gesezt. Die heirathende Jugend darf sich dabei kaum eine Stimme erlauben; alles wird von Eltern und Vormündern erwogen und abgethan. Wenn das Hofgut, auf das man den Jungen zu bringen sucht, eine gute und fruchtbare Lage hat, mit schönem Vieh besezt, nicht zu sehr mit Schulden und Gefällen überladen, und in gutem Stande erhalten ist, so wird der Vertrag geschlossen, ohne nur an den Umstand von Ferne zu gedenken, ob ihm das Mädchen auch gefalle, und ob ihre beiderseitigen Charaktere unter sich simpathisiren. Das Landvolk handelt und schachert

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)