Seite:Pahl Ueber die Liebe unter dem Landvolk.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

keine beschäftigt uns angenehmer, auch wenn wir von ihrem Genusse entfernt sind, als die, die der Sinn für Liebe gewährt.

Dieser Sinn ist, wie gesagt, nicht blos einzelnen Menschen gegeben, sondern allgemeines Erbtheil seines ganzen Geschlechtes, und liegt sowohl in dem Herzen des Taglöhners, als in dem Herzens des Königs. Ja gewöhnlich ist er in jenem reiner, unverdorbener, und genußfähiger, als in diesem. Wir wollen überhaupt den Gliedern der niedrigen Stände, und besonders dem Landvolke, die Freuden der Liebe nicht mißgönnen, und jede Störung derselben verabscheuen, so lange sie in den Gränzen der Unschuld und der Tugend bleiben. Auf unsern Landleuten liegt doch gerade die gröste Last. Sie bauen für uns im Schweisse des Angesichtes die Felder, und gewinnen für uns der Erde ihre Produkte ab. Ihre mühevolle Anstrengung ist alles Lohns und aller Ermuntrung würdig, und findet der ermüdete Landjunge beides nirgends, so findet er’s doch gewiß am Abend des Tages, wenn er an der Seite seiner schwarzaugigten Dirne unter dem Thore der Scheune sizt, und in ihren Armen von der schweren Arbeit rastet. Nur da kann das Glük der Liebe in seiner ganzen Grösse gefühlt und genossen werden, wo sie in einem reinen, unverdorbnen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)