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der Talente, der Bildung, und der Verhältnisse der Menschen, nothwendig auch sehr verschieden seyn müssen. Man kann daher den Grund, nach dem sich die Wahl der Liebe bei einzelnen Menschen bestimmt, nur sehr allgemein angeben. Ein jeder hat seinen eignen Geschmak, seinen eignen Maasstab, sein eignes Ideal von Schönheit und Vollkommenheit.

Wenn es überhaupt wahr ist, woran ich auch nicht zweifle, daß körperliche Vorzüge die Liebe erwekken, wenn sie gleich allein nicht im Stande sind, sie daurend zu erhalten, so gilt dies auch von dem Volke auf dem Lande. Ja eben diese Vorzüge stimmen beinahe jedesmal das Herz des Jungen und der Dirne allein für Liebe. Für Vorzüge des Geistes und Herzens hat der ungebildetere Theil der Menschen wenig Sinne. Er hängt am Sinnlichen, und sucht und findet allen Werth nur in ihm. Der liebenswürdigste Mann ist nach dem Urtheile des Landmädchens immer der, der Grösse und Stärke des Leibes in sich vereinigt, kühn und trozzig auf andre umher schaut, Anstrengung erfordernde Arbeiten mit Leichtigkeit verrichtet, und in seinem Aeussern jene Würde trägt, die aus dem Bewußtseyn eines regelmässigen, festen und ausdaurenden Körperbaues entspringt. Wie sich die

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Ueber die Liebe unter dem Landvolk. In: Die Einsiedlerin aus den Alpen, 3. Band, 8. Heft, S. 128–153. Orell, Geßner, Füßli & Comp., Zürich 1793, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pahl_Ueber_die_Liebe_unter_dem_Landvolk.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)