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Die architektonische Bekrönung des Tores enthielt ein Relief, das 1899 beim Umbau zum Vorschein kam und jetzt mit anderen Resten in der Durchfahrt des Jagdtores bewahrt wird. Es zeigt in schlichter Umrahmung, wie Kain mißgünstig über das Gott wohlgefällige Opfer Abels den Bruder mit gewaltigen Keulenschlägen ermordet; links und rechts von diesem Relief standen die Bildsäulen Adams und Evas, darüber wand sich die Schlange in dem Geäst, das den Tragstein des Erkers umrankte.

DER DRESDNER TOTENTANZ .

Erhalten sind ferner einige Wappen und der berühmte Dresdner Totentanz in Relief, der über dem zweiten Obergeschoß angebracht war und durch den Erker in zwei ungleiche Hälften geteilt wurde. Er steht jetzt links vom Eingange zum Neustädter Friedhof (Friedensstraße). Der Totentanz ist in vier Reigen gegliedert: ein von Schlangen und Bandwerk umschlungener Tod, die Schalmei blasend und ein Weinglas emporhaltend, eröffnet den ersten Reigen; ein zweiter, der mit Totengebeinen die Trommel rührt, führt den zweiten Reigen an; ein dritter mit der Sense schließt den ganzen Zug. Den ersten Reigen bilden die Vertreter des geistlichen Standes: der Papst mit der dreifachen Krone und dem Hirtenstab; der Kardinal mit Hut und Stab; Bischof und Abt mit Krummstab und Mitra, der Domherr mit Doktorhut und Hermelinmantel, ein Priester mit einem Kreuz in der Hand (Monstranz?) und ein gebückt dahinschreitender barhäuptiger Mönch, der ein Buch in der Hand trägt. Im zweiten Reigen schreiten die höchsten Vertreter der weltlichen Macht: Kaiser Karl V. mit Schwert, Krone und Szepter; König oder Kurfürst (?) mit Schwert und geschultertem Szepter; der Herzog Georg der Bärtige (der nach dem Tode seiner Gattin den Bart lang wachsen ließ) mit dem Orden des goldenen Fließes, dem Rosenkranz und dem Schwert; der Kanzler als höchster Beamter des Hofstaates und der Ritter; den dritten Reigen, bei dem man ebenso wie im vierten den voranschreitenden Toten vermißt, führt der Hauptmann der Landsknechte; es folgt der Gelehrte oder Ratsherr und der Steinmetz Hans Schickentantz mit Spitzhacke und Winkelmaß (der Schöpfer des ganzen Werkes), weiter ein Stadtknecht mit Hellebarde und Schwert, der Bauer mit Dreschflegel und Krummschwert und der Bettler mit der Krücke. Den vierten Reigen endlich bilden die Äbtissin mit dem Krummstab

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/34&oldid=- (Version vom 6.12.2022)