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von unten nach oben immer weiter zurückgehen läßt, um dadurch die Tiefenperspektive und mehr Raum zu gewinnen. Vorn sehen wir in leidenschaftlicher Bewegung die bestürzten Krieger, denen der auf dem leeren offenen Grabe sitzende Engel verkündet, daß Christus auferstanden ist. Ein einziger Krieger im Gegensatz zu seinen aufgeregten Kameraden schläft noch rechts vom Engel an das Grab gelehnt. Im Mittelgrunde sehen wir die drei Marien ihre Gedanken über das große Ereignis austauschen, im Hintergrunde stehen die drei Kreuze von Golgatha. Das Ganze ist in seiner lebendigen Darstellung ungemein anschaulich. Der geistige Gehalt des ganzen Portals ist entschieden protestantisch. Die Darstellung Christi und der Ehebrecherin an der Tür deutet auf die Vergebung der Sünden hin. Das alte Testament mit seiner Gesetzesstarrheit (Moses) ist überwunden, das Neue Testament (Johannes, Petrus) bringt die Erlösung. Die Inschriften oben weisen auf Jesaias 7 und Römer 3. Bei dem Propheten finden wir die Prophezeiung auf die Geburt Christi, im dritten Kapitel des Briefes an die Römer aber steht der grundlegende Satz des evangelischen Bekenntnisses: „So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben.“ Und zwar durch den Glauben an Christus den Auferstandenen, der aus dem Grabe verschwunden ist und oben segnend mit der Fahne des Triumphators über Sünde und Tod steht. Nur dieser Glaube gibt die wahre Stärke des Christen. Wir wundern uns bei dem protestantischen Gehalt des Werkes nicht, daß das Portal nach dem Übertritt Augusts des Starken und seines Nachfolgers zum Katholizismus aus dem Schloßhof verwiesen und an die protestantische Sophienkirche versetzt wurde. Dort hat es gestanden von 1737–1864.

TREPPENTÜRME DES SCHLOSSES.

Ebenso wie das Tor bieten auch die drei Treppentürme das Bild gemeinsamer Arbeit italienischer und deutscher Künstler. Die konstruktiven Teile, wie die Treppenspillen, die Umrahmungen der Türen und der steigenden Fenster zeigen die üblichen gotischen Formen, die verkleidende Architektur ist, wie Gurlitt richtig bemerkt, weiter entwickelt aus der Architektur der Treppentürme an den Schlössern zu Meißen, Wittenberg, Torgau und Berlin. Die reiche pflanzliche Ornamentik der Füllungen und Bogen, die kolossalen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/45&oldid=- (Version vom 20.8.2021)