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Ähnlich steht es mit Lynars zweitem Werk: Augusts Sohn und Nachfolger Christian I. faßte bald nach seinem Regierungsantritte (1586) den Plan, Dresden noch weiter zu befestigen und beauftragte Lynar mit der Aufstellung des Planes. Am 18. August 1589 wurde der Grundstein der „neuen Vestung oder Berges am Ziegeltor“ und damit zu der späteren Brühischen Terrasse gelegt. Die Bauleitung hatte der Oberzeugmeister Paul Buchner; dieser führte Lynars Pläne aus und bildete dessen Entwürfe architektonisch durch. Damit war dann der Kreis von Dresdens Befestigungen geschlossen. In ganz eigenartiger Weise traten dabei Festungsbau und Lustbau, Sicherheit und Lebensfreude miteinander in Verbindung. Aus Italien kam damals der Gedanke des Lusthauses, eines Gebäudes, das ohne praktischen Zweck lediglich zur Steigerung der Freude am schönen Dasein dienen sollte. Der Phantasie war damit Tür und Tor geöffnet und es entstanden eine Reihe eigenartiger, oft wunderlicher Bauwerke. Mit Recht sind unter ihnen das Lusthaus zu Stuttgart (1593 vollendet, 1846 abgebrochen) und das Belvedere auf dem Hradschin zu Prag (1536) ihrer Schönheit wegen hoch berühmt. Offenbar hat Kurfürst Christian von Sachsen das Prager Belvedere mit seinem wundervollen Blick auf den Talkessel der Moldau und die vieltürmige, an beiden Ufern sich ausbreitende Stadt gekannt. Ihm als einer echten Renaissancenatur mußte der Wunsch naheliegen, gleichfalls in seiner Residenz ein solches Belvedere zu besitzen, und so ließ er das „Lusthaus auf der Jungfer“ (d. i. auf der Bastion der heiligen Jungfrau) errichten. Es ist merkwürdig genug, daß dieses Haus heiteren Lebensgenusses gerade auf der Spitze der Bastion, der wichtigsten Stelle der Befestigung errichtet wurde. Rings um den Altan, der das Lusthaus umgab, zog sich ein Geschützgang, der mit 36 Geschützen bewehrt war, und an der äußersten Ecke der Bastion erhob sich die Gestalt der Gerechtigkeit mit der Wagschale und dem gezückten Schwert in den Händen. So konnte sich der Kurfürst mit seinen Gästen dem ruhigen Gefühl voller Sicherheit vor etwaigen Feinden hingeben und sich zugleich der Pracht seines Lusthauses und der köstlichen Fernsicht erfreuen. Zwar hatte die Bastion, über die sich das Lusthaus mit seinem Altan und seinem schiffsrumpfartigen Dache so keck hinausreckte, noch nicht die Höhe, die ihr erst August der Starke gab, aber die Fernsicht wird

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/72&oldid=- (Version vom 20.8.2021)