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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

geben als zu glauben, der Unveränderliche könne sich ändern? Nehmen doch [276 M.] sogar einige an, daß nicht einmal alle Menschen in ihren Meinungen schwanken; daß nämlich die ehrlichen und lauteren Philosophen[1] aus der Wissenschaft als höchstes Gut (das Ergebnis) gewonnen haben, nicht mit den Verhältnissen (die Gesinnung) zu wechseln, sondern mit unbeugsamer Festigkeit und mit bestimmter Sicherheit an alles Geziemende heranzutreten.[2] [6] 23 Aber auch dem Gesetzgeber ist es wohlgefällig, daß der Vollkommene nach Ruhe strebe; denn die zu dem Weisen[3] aus göttlichem Munde gesprochenen Worte: „Du aber stelle dich neben mich selbst“ (5 Mos. 5, 31)[4] bezeichnen aufs deutlichste die Unbeugsamkeit und Unwandelbarkeit der Gesinnung und ihre in jeder Beziehung feste Begründung. 24 Denn es ist in der Tat bewundernswert, wenn einer die Seele wie eine Leier harmonisch abgestimmt hat, nicht in hohen und tiefen Tönen, sondern in der Erkenntnis der entgegengesetzten (Lebensrichtungen) und in der Anwendung des Besseren, indem er die Harmonie der Tugenden und des von Natur Guten weder übermäßig anschwellen noch weich verhallen ließ, sondern darauf achtete, sie in gleicher Höhe erklingen zu lassen und melodisch anzuschlagen.[5] 25 Dies nämlich ist das vollkommenste von der Natur gebildete Instrument, ein Muster der von Menschenhänden gefertigten,[6] und wenn es schön abgestimmt wurde, vollbringt es die allerbeste Symphonie, die nicht in der Brechung und den Tönen einer melodischen Stimme,[7] sondern in der Übereinstimmung der Handlungen im Leben besteht. 26 Wenn nun die Menschenseele den gewaltigen Wogenschwall und die Flut, die ein heftig ausbrechender Sturm des Lasters plötzlich erregte, durch sanftes Wehen der Erkenntnis und Weisheit abgewiesen, die Aufwallung und Gärung niedergeschlagen hat und sich im Genusse


  1. Gemeint sind die Stoiker, denen Philo auch sonst einen Ehrenplatz unter den Philosophen einräumt; vgl. De migrat. Abrah. § 128: παρὰ τοῖς ἄριστα φιλοσοφήσασιν. De plant. § 49: εἶπον oἱ πρῶτοι.
  2. So auch Mangey; der Zusammenhang spricht eher dafür, ἁρμόττω in der Grundbedeutung fügen (ἁρμονία Fügung, Schicksal) zu fassen: „alle Schickungen zu meistern“.
  3. Zu Moses.
  4. Vgl. Über die Riesen § 49 und Anm.
  5. Über diese Symphonie in der Seele des Weisen vgl. Zenon fg. 179 Arn.
  6. Nach einer verbreiteten Anschauung (Posidonius bei Sen. Ep. 90, 22) beruhen unsere Werkzeuge auf Nachbildung natürlicher Organe.
  7. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 106 Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/6&oldid=- (Version vom 3.2.2022)