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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

Gottes, da er sinnlich wahrnehmbar ist; denn den älteren – der aber ist geistig[1] – würdigte er des Erstgeburtsrechts und beschloß, daß er bei ihm bleibe. 32 Dieser jüngere, sinnlich wahrnehmbare Sohn bewirkte nun dadurch, daß er in Bewegung versetzt wurde, das Aufleuchten und den Aufgang des Wesens der Zeit, so daß es vor Gott nichts Zukünftiges gibt, vor ihm, der auch über die Schranken der Zeiten erhaben ist; denn auch sein Leben ist nicht eine Zeit, sondern Ewigkeit, das Urbild und Muster der Zeit.[2] In der Ewigkeit aber gibt es nichts Vergangenes und Zukünftiges, sondern nur Gegenwärtiges.

[7] 33 Nachdem wir nun zur Genüge darüber gehandelt haben, daß das Sein keine Reue empfindet, werden wir im folgenden darlegen, was der Sinn der Worte ist: „Gott gedachte daran, daß er den Menschen erschuf auf der Erde, und faßte einen Entschluß“ (1 Mos. 6, 6). 34 Nachdenken und Entschluß,[3] das eine ein Bestandteil des Denkens, der andere der Erfolg des Denkens, hat der Schöpfer des Alls als zuverlässigste Kräfte erwählt und braucht sie immer, wenn er seine Werke betrachtet. Was nun die (göttliche) Ordnung


ἐν κινήσει, καθάπερ ἐν γενέσει θεὸς ὁ κόσμος. ὅθεν ὁμοῦ γεγονότας φησὶν ὁμοῦ καὶ λυθήσεσθαι πάλιν, ἄν τις αὐτοὺς καταλαμβάνῃ λύσις. (vgl. Tim. 38 B.) οὐ γὰρ οἷὸν τ᾽ εἶναι χωρὶς χρόνου τὸ γενητὸν ὥσπερ οὐδὲ τὸ νοητὸν αἰῶνος, εἰ μέλλει τὸ μὲν ἀεὶ μένειν τὸ δὲ μηδέποτε διαλύεσθαι γιγνόμενον. Hiermit verbindet Philo erstens die auch sonst sich bei ihm findende Lehre vom Kosmos als dem Sohne Gottes (Über die Trunkenheit § 30. Leben Mos. II § 134. Über die Einzelges. I § 96), eine Lehre, die sich auch bei Plutarch (Quaest. Platon. 1001 B) angedeutet findet, der ausdrücklich Gott als den Vater der Welt bezeichnet, und die im Poimandres IX 8 in voller Ausbildung erscheint. Zweitens drückt er die Zeit, die nach Plato (Tim. 38 B) und Posidonius (Gronau, Poseidonios u. die jüdisch-christl. Genesisexegese, Leipzig 1914 S. 43ff.) mit dem Himmel und der Welt zugleich entstand, in dasselbe Abhängigkeitsverhältnis zum Kosmos herab, in dem dieser zur Gottheit steht, und bezeichnet sie als Sohn des Kosmos. Philos Tendenz, der Zeit (χρόνος) eine möglichst niedrige Stellung anzuweisen, entspringt aus einer Polemik gegen die Spekulation von der Zeit (χρόνος = Χρόνος = Κρόνος) als dem Urprinzip und der obersten Gottheit; vgl. meine Anmerkung zu Über die Geburt Abels usw. § 77.

  1. Der κόσμος νοητός, der platonischen Ideenwelt entsprechend.
  2. Plato, Tim. 37 D: διακοσμῶν (ὁ θεός) ἅμα οὐρανὸν ποιεῖ μένοντος αἰῶνος ἐν ἑνὶ κατ' ἀριθμὸν ἰοῦσαν αἰώνιον εἰκόνα, τοῦτον ὃν δή χρόνον ὠνομάκαμεν. Über die Weiterwirkung dieser Stelle in den auf Posidonius zurückgehenden Kommentaren zum Timaeus vgl. Gronau, Poseidonios u. d. jüd.-christl. Genesisexegese, Leipzig 1914 S. 41f. und im Neuplatonismus meine Abhandlung: Die Begriffe der Zeit und Ewigkeit im späteren Platonismus (Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalters ΧΙII 4).
  3. ἔννοια καὶ διανόησις = „ἐνεθυμήθη ὁ θεὸς ... καὶ διενοήθη“.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/8&oldid=- (Version vom 3.2.2022)