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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

das achte den Diebstahl als die schlimmste Verletzung von Gesetz und Recht in einem Staate (§ 135-137), das neunte das falsche Zeugnis, weil dadurch die Wahrheit verhüllt wird, Unschuldige ungerechterweise verurteilt werden und Schaden erleiden und die Richter eine Gottlosigkeit begehen, wenn sie unbewusst zu einem falschen Urteil gelangen (§138-141), das zehnte das Begehren fremden Gutes, weil die böse Begierde, die schlimmste aller Leidenschaften, das grösste Unglück anzurichten pflegt (§ 142-153). Im folgenden Abschnitt (§ 154-174) erklärt Philo, welche von den Mosaischen Gesetzen und gesetzlichen Bestimmungen nach seiner Ansicht sich unter jedes der zehn Gebote subsumieren lassen. Er gibt damit gewissermassen eine vollständige Disposition des Inhalts der auf unsere Schrift unmittelbar folgenden vier Bücher über die Spezialgesetze. Zum Schluss erörtert Philo noch die Frage, weshalb in den zehn Worten keine Strafen für die Uebertreter der Gebote angedroht sind, und findet den Grund darin, dass Gott in seiner Güte nur Urheber des Guten, nicht des Bösen, sein könne und dass er deshalb die Bestrafung der Sünder seinen dienstbaren Geistern überlasse (§ 175-178).




UEBER DIE ZEHN WORTE,
DIE DER HAUPTINBEGRIFF DER GESETZE SIND


1 [II p. 180 M.] (1.) Nachdem ich in den früheren Abhandlungen das Leben der nach Moses’ Darstellung weisen Männer erzählt habe, die die heilige Schrift als die Ahnen unseres Volkes und gleichsam als Verkörperungen ungeschriebener Gesetze bezeichnet, werde ich im Anschluss daran die allgemeinen Grundzüge der geschriebenen Gesetze näher darlegen, und falls sich darin Anlass zu allegorischer Erklärung zeigen sollte, werde ich auch diese nicht übergehen wegen der auf den tieferen Sinn gerichteten Schriftforschung, die die verborgenen Wahrheiten mehr als die obenauf liegenden zu suchen pflegt. 2 Auf die Frage aber, warum denn Moses die Gesetze nicht in Städten, sondern tief in der Wüste gegeben, habe ich zuerst zu sagen, dass die meisten Städte voll von [p. 181 M.] unzähligen Uebeln sind, von Freveln gegen die Gottheit wie von Verbrechen der Menschen gegeneinander. 3 Denn da gibt es nichts, was nicht gefälscht ist, das Unechte überwuchert

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: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/005&oldid=- (Version vom 9.12.2016)