Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn | |
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(dem Volke) und mit dem Erben des Führeramtes gesprochen, beginnt er in einem Gesange Gott zu preisen (5 Mos. 31,30 ff.) und ihm den letzten Dank in seinem leiblichen Leben abzustatten, dafür dass er von der Geburt bis zum Greisenalter immer neue und ungewöhnliche Gnaden empfangen hatte. 73 Er berief gleichsam eine göttliche Versammlung, die Elemente des Alls und die hauptsächlichsten Bestandteile der Welt, Himmel und Erde (5 Mos. 32,1), die Erde als Heim der Sterblichen, den Himmel als Wohnstätte der Unsterblichen, und stimmte in ihrer Mitte den durchweg harmonisch klingenden Sang an. 74 Denn hören sollten ihn Menschen und diensttuende Engel, jene als Schüler, damit sie lernen in gleicher Weise den Dank abzustatten, jene als Aufseher, die auf Grund ihrer Erfahrung darauf achten, ob nicht im Gesange ein Missklang vorkomme, und die zugleich starke Zweifel hegen, ob ein an den vergänglichen Leib gefesselter Mensch in derselben Weise wie Sonne und Mond und der heilige Reigen der anderen Gestirne seinen Geist musikalisch zu bilden und mit dem göttlichen Instrument, dem Himmel und dem gesamten Weltall, in Verbindung zu bringen vermag. 75 Der grosse Prophet aber stellte sich in die Reihe der Reigentänzer am Aether und mischte in den dankerfüllten Gesang zum Lobe Gottes die aufrichtigen Gefühle seiner Liebe zu dem Volke: dazu gehörten Hinweise auf alte Sünden, Warnungen und Zurechtweisungen für die Gegenwart, Aufmunterungen für die Zukunft durch Erweckung guter Hoffnungen, denen mit Notwendigkeit einst glückliche Erfüllung folgen muss.
76 (4.) Als er aber das aus Frömmigkeit und Menschenliebe gewissermassen zusammengesetzte Chorlied beendet hatte, begann er aus dem sterblichen Leben in das unsterbliche hinüberzuwandern und merkte allmählich, dass die Bestandteile, aus denen er zusammengesetzt war, sich voneinander schieden, [388 M.] indem der nach Art einer Muschel ihn umgebende Körper abgetan, die Seele aber ihrer Hülle entkleidet wurde und das natürliche Verlangen hatte, von hinnen zu scheiden. 77 Darauf bereitete er sich zum Weggange vor, vollzog aber sein Scheiden nicht eher, als bis er sämtliche Stämme des Volkes mit harmonisch ausklingenden Segnungen beehrt unter Nennung
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/025&oldid=- (Version vom 31.10.2017)