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Archiv, in einer Truhe verschlossen, in der Wohnung des jeweiligen Schultheissen und später des Bürgermeisters aufbewahrt wurde. Nachdem die Stadt in Folge des Aussterbens der Zähringer, ihrer Stifter, 1218 durch Vererbung an das schwäbische Grafengeschlecht der Uracher gekommen, gab es bald allerlei Spannungen mit den neuen Herren. Es ist nicht anzunehmen, dass der Magistrat nicht Alles aufgewendet hätte, die alte Verfassungsurkunde und die später dazu gekommenen Privilegienbriefe, die den Grafen theils abgekauft, theils mit Gewalt abgerungen waren, sicher zu stellen. Als die Zerwürfnisse in offenen Aufruhr und blutigen Kampf übergingen, an denen sich die mächtigen Verwandten der Grafen, wie die Herzoge von Lothringen, die Bischöfe von Strassburg und Basel, die Markgrafen von Hochberg, die Dynasten und der ganze niedere Adel der Umgegend betheiligten und selbst auch innerhalb der Stadtmauern Parteiungen für und gegen die Herren Platz griffen, konnte — namentlich in Ansehung dieser inneren Parteiungen — selbst das Rathhaus kaum die nöthige Sicherheit gegen einen bösen Anschlag bieten. Viel wahrscheinlicher mögen auch noch nach Erwerbung des Rathhauses wenigstens die werthvolleren Urkunden und insbesondere die vielen Bündnissbriefe, die mit vielen Städten und Edeln gegen die Grafen offen und im Geheimen ausgefertigt worden waren, in einem der festen Häuser des mächtigsten Geschlechtes der Stadt geborgen gewesen sein, in einer der wehrhaften Stadtwohnungen der Schuewlin im Hofe, die an der Spitze der Bewegung standen und fast 100 Jahre mit wenigen Unterbrechungen im Besitze der beiden obersten Stadtämter, des Schultheissenamtes und des Bürgermeisteramtes waren.

In diesen langen Wirren ging gerade die älteste und wichtigste Urkunde der Stadt, die auf dem Cölner Recht basirte Verfassungsurkunde Herzog Konrads von Zähringern von 1120 verloren. Noch 1275 war sie vorhanden, aber ihr Zustand wird damals schon als verdorben geschildert, indem es von ihr heisst: „wande aber nu der brief elti die schrift du dar an stat verböset“ etc. Nichtsdestoweniger darf man nicht annehmen, dass ein so werthvolles Instrument, auch wenn es etwas unleserlich geworden war, blos aus Nachlässigkeit zu Grunde gegangen sein sollte; denn es sind doch auch noch andere ebenfalls sehr alte Urkunden, aber von ungleich geringerer Bedeutung im Stadtarchiv auf uns gekommen, deren Schrift nicht wenig „verböset“ ist.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Poinsignon: Rückblicke auf die Vergangenheit des Stadtarchivs zu Freiburg im Breisgau. Theodor Ackermann, München 1895, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Poinsignon_-_Rueckblicke_02.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)