Seite:Poinsignon - Rueckblicke 14.jpg

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Grossherzogliche Provinzialarchiv abgegeben worden; endlich eine nicht weniger ansehnliche Menge des verschiedenartigsten Urkundenmaterials hatte Archivar Weiss selbst in seiner eigenen Wohnung, seit Decennien, Studien halber.

Noch viel schlimmer sah es in den beiden Gewölben des Rathshofes aus. Eine Besichtigung derselben am 23. April 1824 erfüllte nach dem Bericht des mitanwohnenden Stadtraths Dr. Schmidt die Anwesenden geradezu mit Schrecken. In beiden Gewölben waren sämmtliche Fenster eingeschlagen, die Fensterrahmen verfault, einzelne Schubladen fehlten ganz, die Archivalien in hohen Haufen auf dem Boden zerstreut, sogar mit alten Sätteln und Mantelsäcken untermischt; Modergeruch, namentlich im unteren Gewölbe, trieb die Besichtigenden zurück, und zahlreiche Spinnengewebe wehrten den Eingang.

So also stand es mit den Archiven der Stadt zu Anfang unseres erleuchteten Jahrhunderts! Und trotzdem gedachte Dr. Schreiber all diesen Wirrwarr in zwei Jahren so nebenbei in seinen Mussestunden wieder in Ordnung zu bringen, in seinen Mussestunden, die ihm seine eigentliche Berufsthätigkeit als Präfect des Gymnasiums, wozu er jetzt ernannt worden war, übrig liess; gewiss wiederum ein Beweis, wie selbst Gelehrte die Mühen und Arbeiten eines Archivars zu unterschätzen geneigt sind!

Magistratsrath und Archivar Weiss war schon Ende 1822 gestorben, und als seinen Nachfolger hatte sich Dr. Schreiber in uneigennützigster Weise dem Magistrat selbst angeboten, natürlich unter Beibehaltung seiner Staatsanstellung als Präfect des Gymnasiums. Der Magistrat seinerseits ging mit Freuden hierauf ein, ernannte ihn sofort zum Ehrenmitglied des Raths und Archivar und erbat hiezu die Genehmigung der Staatsbehörde. Allein das Ministerium des Innern verweigerte in richtiger Erwägung der Verhältnisse die Genehmigung als unvereinbar mit der Berufsthätigkeit des Vorstandes einer gelehrten Mittelschule. Der gute Wille des Antragstellers war immerhin dankend anzuerkennen und unfasslich scheint es daher, wenn Stadtdirector v. Ch. diesen sachlichen Bescheid der obersten Staatsbehörde in einer geradezu verletzenden Art und in durchaus nicht urbaner Form dem Magistrat zustellte, mit der Weisung, „für die Besorgung des Archives auf ein anderes Subject zu denken“. Neben vielen anderen Merkmalen kennzeichnet dieses Verfahren die allgemeine zeitgenössische

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Poinsignon: Rückblicke auf die Vergangenheit des Stadtarchivs zu Freiburg im Breisgau. Theodor Ackermann, München 1895, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Poinsignon_-_Rueckblicke_14.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)