Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 017.jpg

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derselben, so genau als möglich zu ermitteln, die Varietäten oder Sorten zu leichterer Uebersicht und Erkennung naturgemäß und systematisch zusammenzustellen und hierbei allenthalben nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu verfahren, sodann aber auch die Brauchbarkeit der Sorten zu den verschiedenen Zwecken des Obstbaues und in den verschiedenen Localitäten anzugeben.

Man hat nun zwar schon lange Obstkunde, oder wie man gewöhnlich aus Vorliebe zu ausländischen Wörtern sagt, Pomologie, getrieben, und darüber manches Werk geschrieben; allein es ist dermalen anerkannter Weise (vgl. die Protokolle über die Naumburger Obstausstellung im Jahr 1853) eine große Verwirrung in der Pomologie, namentlich hinsichtlich der Kernobstsorten (auf welche sich das Folgende lediglich beschränkt) vorhanden. Der Unterzeichnete stimmt nun zwar völlig Dem bei, was hinsichtlich der dermalen herrschenden Verwirrung in der Pomologie gesagt worden, kann aber keineswegs Dem beipflichten, was über den Grund des Uebels gesagt und zu Abhülfe desselben angerathen und in Vorschlag gebracht worden und hat sich darüber bereits anderwärts ausgesprochen. Seiner Ansicht nach ist dieser Uebelstand hauptsächlich der seitherigen Art und Weise der Behandlung dieser Lehre zuzuschreiben, welche auf keine Weise den Forderungen, welche man an eine wissenschaftliche Lehre von den Kernobstsorten (Pomologie im eigentlichen Sinne) machen muß, entspricht, und es ist der anerkannten Verwirrung auf andere Weise, als vorgeschlagen worden, und zwar durch eine andere Behandlung der Kernobstkunde, als solche seither erfahren, abzuhelfen und darüber soll im Folgenden etwas nähere Erklärung gegeben werden.

Eine Wissenschaft wird schwerlich je durch die Reichhaltigkeit des Stoffes, wohl aber durch die Art und Weise der Behandlung desselben in ihren Fortschritten aufgehalten und behindert werden. Jedenfalls dürfte es an der Zeit sein, die Ursachen der gedachten Verwirrung genauer zu untersuchen. Nur wenn der Grund des Uebels richtig erkannt worden, werden sich auch die Mittel ergeben diesem Zustand abzuhelfen, und hiezu nach Kräften mitzuwirken, wird sich der Verfasser bestreben.

Betrachten wir zuvörderst den Gang, welchen die Kernobstlehre bei uns genommen. In Deutschland, dem Lande der Systematik, hat man sich schon frühzeitig bestrebt, Systeme der Pomologie überhaupt und der Kernobstsorten insbesondere aufzustellen. Man darf nur an Manger, Sickler, Christ, Diel erinnern[1]. Das Diel’sche System ist eine Zeit lang das in Deutschland allgemein geltende gewesen, theils wohl seines inneren Werthes wegen, theils und hauptsächlich, weil Diel zu gleicher Zeit durch seine, nicht weniger als 27 Bändchen einnehmenden Beschreibungen von Kernobstsorten und Versendung von Pfropfreisern und Bäumen eine solche Autorität erwarb, daß man die vielen Mängel und Schwächen seines Systems sowohl, als seiner Beschreibungen übersah, und die folgenden schriftstellernden Pomologen bis auf wenige, sich lediglich auf Diel stützten und dessen Angaben ohne weitere Prüfung nach- und abschrieben, (ja oft ohne dieses sehr einflußreichen Umstandes


  1. Die Ausländer haben sich mit Systemen der Kernobstsorten meines Wissens nicht befaßt, wohl aber haben die Franzosen zuerst dieselben in gewisse, und zwar zum Theil glücklich gewählte natürliche Familien (wenn schon dieselben nicht genau genug bezeichnet sind) geordnet. Doch war damals allerdings die Zahl der Sorten noch sehr gering.
    v. F.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_017.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)