Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 052.jpg

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Durch diese Beschränkung und Auswahl, die Oberdieck in seiner mehrmals erwähnten Anleitung nicht weniger als Lucas in seinen Kernobstsorten Württembergs, wenn auch von verschiedenen Gesichtspunkten aus geübt haben, gewinnt das Bedeutende erst das rechte Licht, und ohne sie würde die ganze beschreibende Pomologie zu einem unentwirrbaren Chaos werden. Die erste Arbeit der Pomologen würde demnach die seyn, diese, sobald sie wenigstens die Hoffnung erwecken, daß sie in irgend einer Beziehung z. B. durch die Feinheit ihres Geschmacks, oder durch ihre Tragbarkeit und Haltbarkeit, oder durch ihre Brauchbarkeit für die Hauswirthschaft, oder durch die Gesundheit, Dauer und Kräftigkeit ihres Stammes, die bereits vorhandenen Obstsorten übertreffen, auf ihre Sorten- oder Probebäume aufzunehmen und selbständig zu prüfen, um sie dann, wenn sie sich in irgend einer Beziehung als ein Gewinn für den praktischen Obstbau bewähren, zu beschreiben und zu verbreiten. Dadurch werden ihre Kenntnisse und Forschungen erst wahrhaft gemeinnützig werden.

Wollte dagegen der einzelne Privatmann bei Anlage einer Obstpflanzung statt der bereits in seiner Gegend vorzugeweise bewährten Obstsorten gleich hauptsächlich nur solche anpflanzen, welche die Verzeichnisse speculirender Baumschulbesitzer als die „neuesten und vorzüglichsten“ aufführen, so würde man dieses Verfahren mindestens als sehr unpraktisch und unvorsichtig bezeichnen müssen. Denn sollte er auch das Glück haben, auf diesem Wege unter anderen auch einige wenige vorzügliche Obstsorten zu erhalten, so wird er sich doch schwerlich als Nichtpomolog durch diese wenigen werthvollen Neuheiten für das viele Unbrauchbare entschädigt finden, welches die weit überwiegende Masse des Empfangenen bilden wird. Im günstigsten Falle wird er mit viel persönlichem Verlust und Verdruß den Obstbau seiner Umgegend mit einigen Neuheiten beschenkt haben, die demselben auch ohne ihn in wenigen Jahren zugegangen seyn würden.

Warum sollte nicht auch beim Obstbaue gelten, was wir durch unser ganzes Leben bestätigt finden? Alle können und sollen, zumal bei einer hoch gesteigerten Lebensentwicklung, nicht Alles zugleich sein und treiben wollen. So wenig als jeder Einzelne sein eigener Arzt, seyn eigener Sachwalter, sein eigener Kaufmann, Künstler oder Handwerker ist, sondern sich überall des Beiraths und der Hilfe bewährter Sachverständiger bedient, so muß er auch bei Anpflanzung von Obstbäumen die Unterstützung und den Beirath Sachkundiger nicht verschmähen. Und wie nicht jeder Landwirth alljährlich die verschiedenen neuen Getreide-, Kartoffel-, Oelsaat- und Rübensorten mit theuren Kosten kommen läßt und prüft, sondern das Urtheil der hiezu zunächst berufenen Versuchswirthschaften, landwirthschaftlichen Anstalten und Vereine abwartet, so mögen auch die Obstbauer vor übereilter Aufnahme aller neu angepriesenen Obstsorten die Stimme der zur Prüfung derselben zunächst berufenen Pomologen und Vereine hören und überzeugt seyn, daß sie in den auf diesem Wege bereits gewonnenen Obstsorten einen Schatz zur Auswahl besitzen, welcher den Vergleich mit den meisten neuen Obstsorten in keiner Beziehung zu fürchten hat.

Fasse ich nun die Hauptpunkte meiner Erörterung nochmals zusammen, so dürften es folgende seyn:

1) Die wissenschaftlichen Pomologen und die Gartenbauvereine haben nach der Regel: Prüfet Alles und das Gute behaltet! auch in Zukunft die irgendwo neu gewonnenen und empfohlenen Obstsorten zu beachten und zu prüfen und diejenigen, welche in

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)