Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 062.jpg

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Erde herausnahm, ihm an seinem Ende einen frischen Anschnitt gab und ihn eben, unter gehörigem Angießen wieder einsetzte, ingleichen, daß durch Liegen an der Luft welk gewordene Pfropfreiser, in Wasser gesetzt, nicht einsaugen, wenn man ihnen an ihrem Ende nicht einen frischen Anschnitt gibt. Ich ließ daher ein halbes Dutzend junger Kernobstbäume, die schon anfingen an den beschnittenen Spitzen der Zweige abzusterben und am Stamm bereits eine etwas welk aussehende Rinde hatten, wieder ausnehmen, beschnitt die Wurzeln frisch und rein und ließ sie dann, beim Wiedereinsetzen einschlämmen, damit die Erde sich recht genau und dicht an die frischen Schnittwunden der Wurzeln ansetzen möchte. Schon nach 5–6 Tagen zeigten sie merklichen Trieb. Dieselbe Operation wurde daher mit 24–30 andern, zum Theil schon bis zur Krone herangewachsenen Stämmen wiederholt, und war der Erfolg eben so günstig und noch rascher, da viele schon nach 3–4 Tagen trieben. Der Versuch wurde nun auf einige Bäumchen ausgedehnt, die zwar eine Anzahl kleiner Blätter getrieben hatten, aber kränklich aussahen, wobei, um stärkere Ausdünstung zu verhindern, die vorhandenen Blätter abgeschnitten wurden, und zeigte auch bei diesen sich bald guter Erfolg, so daß ich nunmehr so dreist wurde, um und bis 14 Tage nach Johannis, so wie meine Arbeiter Zeit erübrigen konnten, ein paar hundert junge Stämme auf die gedachte Weise zu behandeln. Zum Gegenversuche, und da ich immer noch fürchtete, bei etwa eintretender Dürre möchten die umgepflanzten Stämme sich nicht halten, ließ ich eine Anzahl anderer noch schlafender Stämme mit verdünnter Jauche stark begießen; doch zeigte sich nach 8–12 Tagen wenig Erfolg, während die umgepflanzten fast sämmtlich ausgrünten, und wenn dieß etwa nicht gleich nach dem ersten Umsetzen der Fall war, eben in Trieb kamen, wenn sie wiederholt ausgenommen und nach frisch beschnittenen Wurzeln eingeschlämmt wurden; (bei mehr als einem Dutzend geschah dieß 3 Mal). Auch bei Kirschen und Pflaumen hatte mein eingeschlagenes Verfahren den besten Erfolg, und namentlich kamen zu meiner Verwunderung ein paar schöne Glaskirschen-Hochstämme, die schon ganz verwelkend aussahen, wieder in guten Trieb. Waren bei manchen Stämmen die dünneren Zweige schon abgestorben, so trieben sie nach dem Umsetzen aus dem noch Leben habenden Stamme aus, was selbst mehrfältig bei Pflaumen und Kirschen der Fall war, wenngleich diese aus dem Stamme nicht so leicht ausschlagen. Die Triebe an den umgepflanzten Stämmen wurden bald so stark, daß man nicht zweifeln konnte, daß sie seitliche junge Wurzeln getrieben haben mußten, und bestanden sie ohne Ausnahme eine harte Probe günstig in der im Juli eintretenden beträchtlichen Hitze, wo der Erdboden wieder sehr wenige Feuchtigkeit behielt, während eine Anzahl nicht umgepflanzter, schlafend gebliebener Stämme in dieser Hitze ganz einging. Ich habe mit einzelnen werthvollen Stämmen, die, ohne umgesetzt zu seyn, damals noch schliefen, oder kaum beginnenden, vielleicht selbst wieder zurückgehenden Trieb zeigten, noch bis zur Mitte des August und fast immer mit günstigem Erfolge, wenn bei herrschender größerer Trockniß die umgesetzten Stämme öfter reichlich begossen wurden, mein Belebungsverfahren vorgenommen, wenn gleich an diesen so spät in Wachsthum gekommenen Stämmen die Triebe schwerlich hinreichend reif werden dürften, um einen ernsteren Winterfrost auszuhalten, und es wohl nöthig werden wird, diese Stämme

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_062.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)