Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 076.jpg

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ihrer eifrigen Beachtung nicht unwürdig seyn dürfte. Jedenfalls haben deutsche Pomologen, wenn sie in Ostpreußen erwachsene Früchte untersuchen und ihrer Empfehlung würdig finden, einen Vortheil, der ihnen anderswo nicht in dem Maße geboten wird: es ist dieß die begründete Hoffnung, daß diese Sorten, in dem durchschnittlichen mildern Klima des übrigen Deutschlands (ich sage des übrigen Deutschlands, denn wir Ostpreußen werden uns immer als Deutsche betrachten) angebaut, an Werth wahrscheinlich noch gewinnen werden. Zum Gegenstande meiner kurzen Schilderung wähle ich zwei Obstsorten, die ich, obgleich sie in Ostpreußen fast allgemein bekannt und beliebt sind, doch anderswo meines Wissens noch nirgends angetroffen habe, wiewohl sie um ihrer guten Eigenschaften willen eine weitere Verbreitung unzweifelhaft verdienen würden. Ich weiß wohl, daß an neuen Obstsorten im Allgemeinen kein Mangel ist, ja daß im Gegentheil die Menge neu aufgefundener oder neu erzogener Sorten selbst für tüchtige Obstkenner eine Last und zuweilen nicht mit Unrecht ein Gegenstand bitterer Klage geworden ist; dennoch halte ich es nicht für vergeblich, auf ein Paar Früchte aufmerksam zu machen, die in einer so nördlichen Provinz vortrefflich gedeihen; und nicht von einem Einzelnen, etwa dem von Vaterfreude geblendeten Erzieher einer Frucht, sondern von der Vorliebe des allgemeinen Geschmacks für gut erklärt werden.

Ich bemerke noch, daß ich bei der Beschreibung, wie bei der Klassifikation das wohl ziemlich allgemein bekannte und geschätzte Werk von E. Lucas: „Die Kernobstsorten Württembergs“ zu Grunde lege, daß ich dem genannten Herrn bereits Proben und Reiser der nachstehenden Aepfelsorte mitgetheilt habe, und in Beziehung auf die Birnsorte dieß gegenwärtig zu thun beabsichtige; so daß also Diejenigen, welche selbst eine Probe mit Reisern dieser Sorten machen wollen, sie in Hohenheim erhalten können. Ich selbst bin ebenfalls gerne bereit, Obstfreunden, die sich deswegen an mich wenden, Reiser unentgeltlich mitzutheilen.

1. Jungferschönchen.

Diesen eigenthümlichen Namen, dem Herr Garteninspektor Lucas bei der Aufnahme in das Hohenheimer Sortiment noch die Bezeichnung „Ostpreußisches“ hinzufügte, führt hier ein Apfel, den ich nach dem Geschmacke der Frucht und nach der Vegetation des Baumes zu den Einfarbigen- oder Wachs-Reinetten rechnen muß, welchem auch Lucas beistimmt. Er gehört daher nach dessen System zu Klasse VIII. Ord. 1 Unt.-Ord. b. ist also eine Glattschalige Wachs-Reinette mit geschlossenem Kelche. Er wird in Ostpreußen, namentlich in der Gegend des Ermlandes und Oberlandes, häufig gebaut, und gilt für einen der besten Tafeläpfel. Unser Klima ist bekanntlich ein rauhes, und hier ist es allerdings rathsam, ihm eine etwas geschützte Lage zu gewähren; in den meisten Gegenden von Deutschland wäre er aber unbedenklich ganz im Freien zu bauen. Der Boden ist der im Allgemeinen für Aepfelbäume geeignete Lehmboden.

Hier folgt nun die Beschreibung des Jungfernschönchens.

Gestalt: Ein mittelgroßer, sehr regelmäßig gebauter Apfel von plattrunder Form, einem recht großen Borsdorfer oder noch eher der Weißen Wachs-Reinette ähnlich. Die größte Breite ist in der Mitte der Wölbung und die Frucht nimmt nach dem Kelch nur

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)