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viele starke Hochstämme befindlich, und welche in ihrem Sortiment eine große Anzahl der neueren belgischen und englischen Obstsorten aufgenommen hat. In den schönen Anlagen des Bellevoir[WS 1], die unter der Leitung des Herrn Obergärtner Otto stehen, traf ich eine große Zahl schöner Hochstämme, Pyramiden und Spaliere, die noch zum großen Theil voll der herrlichsten Früchte hingen. Ueberhaupt ist die Cultur des feineren Gartenobstes in den Gärten von Zürich und den vielen Ortschaften am Zürcher See eine sehr vollkommene; besonders sah ich ganz vortrefflich gezogene und sehr ausgedehnte Hochspaliere (die der verdienstvolle Hempel vor circa 10 Jahren noch so warm empfohlen) in größter Vollkommenheit und so schön gezogen, daß ein Gärtner von Montreuil keinen Fehl daran gefunden haben würde; fast überall hingen noch große Mengen sehr ausgebildeter Früchte an denselben. Besonders wird die Beurré blanc, Beurré gris und St. Germain, sowie von Aepfeln die Pariser Rambour-Reinette (Große englische Reinette), Weißer und Rother Winter-Calville, sowie auch die Große italienische oder Schweizer Zwetsche und unsere gewöhnliche Hauszwetsche so erzogen. In Uerikon, wo mir einige der schönsten Hochspaliere, die wohl 30–40 Jahre alt seyn mochten, an Oekonomiegebäuden mit Holzwänden stehend, gezeigt wurden, welche fast die ganze Giebelwand bedeckten, auf Stämmen von über 15′ Höhe gezogen, drang sich mir die Frage auf: schaden diese so sehr ausgedehnten Spaliere nicht den Bauten? Allgemein erhielt ich eine bestimmt verneinende Antwort. Ich wünschte die vielen Architekten, die gegen diese, die Gebäude ebenso sehr verschönernden als dem Besitzer den größten Nutzen darbietenden Spaliere eingenommen sind, könnten dieselbe Versicherung hören und sich zugleich faktisch überzeugen, daß ihre Sorge hier zu weit gehe.

Sehr schön gezogene freistehende Spaliere sah ich in dem Gute „Rebenberg“ an der Straße nach Küßnach. In letzterem wahrhaft idyllisch schönen Ort blieb ich einen Tag bei Herrn Seminarlehrer Kohler, (als tüchtiger Lehrer der Landwirthschaft und Redakteur der Landwirthschaftlichen Zeitschrift auch in weitern Kreisen rühmlichst bekannt) und ging mit demselben die über 300 verschiedene Obstsorten umfassende Obstsammlung durch, welche von der dortigen Gemeinde für die Ausstellung bestimmt war. Ich ordnete sie unter thätigster Beihilfe von Freund Kohler nach dem von mir in den „Kernobstsorten Württembergs“ publicirten System, welches sich auch hier wieder als praktisch und leicht durchzuführend bewährte. Hier sah ich dicht am Zürcher See, in Kohler’s Garten eine Reihe überaus regelmäßig erzogener hochstämmiger Kugelbäume mit edlen Pflaumensorten, die dem Cultivateur alle Ehre machten; die Späte Mirabelle, sowie die Reineclaude von Bavay und einige andere Pflaumen hingen ganz außerordentlich voll und ich habe die erstgenannte Sorte erst jetzt recht schätzen gelernt. Ueber diese Cultur edler Pflaumen hat Herr Kohler nächstens diesen Blättern einen schätzbaren Beitrag zu liefern versprochen.

Hier, wie in verschiedenen anderen Gärten der dortigen Gegend, sind viele Pyramiden auf Wildlinge veredelt angepflanzt; man wendet das Pincement u. Cassement (Brechen der jungen Triebe während des ersten und beim Beginne des zweiten Triebes) sehr viel an, und bändigt dadurch sowohl den zu starken Wuchs, als wirkt wesentlich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Belvoir ist eine öffentliche Parkanlage in Zürich
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_090.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2019)