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im ersten Jahre, statt sie umzupfropfen, nur zurückzuwerfen, und so zu verjüngen. Hier können und sollen alle Schnittwunden mit Theer verstrichen, und dadurch die Aeste vor der Holzfäule gesichert werden. Von den in zahlreicher Menge hervortreibenden Wassertrieben dienen die kräftigsten und bestgestellten zur Grundlage für die sich regenerirende Krone und man veredelt in dieselben die aufzupfropfende Sorte durch das Pfropfen in die Seite, wobei 2–3 Reiser in jeden jener neuen Zweige im folgenden Frühjahre eingesetzt werden. Diese bepfropften 1jährigen Zweige werden über dem obersten Reise auf einen ½′ langen Zapfen geschnitten und an letzterem alle dort befindlichen Augen entfernt; es dient nur als Schutz für die hervortreibenden Edelreiser. Kleine wie größere Vögel, die hier und da durch Aufsitzen auf die Pfropfreiser dieselben abdrücken, werden sich des Zapfens als Ruhestätte bedienen und die Reiser verschonen; diese letzteren werden, sobald sie ½–1′ herangewachsen, mit Bast locker an den Zapfen angeheftet (Ende Juni) und dadurch sehr einfach und leicht vor dem Abbrechen durch Stürme geschützt. Im dritten Jahre, wenn zugleich der größere Theil der noch seither gelassenen Zugäste weggenommen wird, (es sollten immer beim Abwerfen nur jene Zweige weggeschnitten werden, die zum Umpfropfen bestimmt sind und alles andere Holz noch 1–3 Jahre bleiben und erst allmählig entfernt werden), können auch die Zapfen leicht weggeschnitten werden, da dann ohnehin die gewachsenen Edelzweige auf die Hälfte ihrer Länge eingestutzt werden müssen.

Vergleichende Beobachtungen, die ich auch dieses Jahr wieder machte über das Pfropfen in die Seite in seiner Anwendung zum Umpfropfen, stellen es außer allem Zweifel, daß die Reiser besser uns sicherer wachsen und mehr gesichert sind, als bei dem sonst üblichen Spalt- und Rindepfropfen.

(Fortsetzung im nächsten Heft.)



Ueber eine neue Methode der Stecklingsvermehrung aller strauch- und baumartigen Gewächse.
Vom Herrn Herrmann Haffner in Cadolzburg in Bayern.

Nicht alle die neueren Erfindungen, wenn sie sich nicht auf eine langjährige Praxis stützen können, sondern oft nur eine augenblickliche Idee sind, verdienen wirkliche Verbreitung; denn die meisten, die sie in Anwendung bringen würden, dürften sich in ihren Erwartungen getäuscht sehen.

Vielleicht ist keine Erfindung weniger stichhaltig, als die, von der wir sprechen wollen; dieselbe hat zwar augenscheinlich sehr vieles für sich, was jedoch bei näherer Betrachtung in sich selbst zerfällt. Es leuchtet jedem Baumzüchter ein, daß die bogenförmig in den Boden gesteckten Stecklinge[1], durch das Biegen, leicht antreiben, da der Saft an der oberen Knospe des Bogens,


  1. Diese neue Erfindung wurde zuerst bei der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe in Nürnberg in der Sektion für Obst- und Gartenbau bekannt gemacht, und findet sich in dem gedruckten Bericht ausführlich beschrieben.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_093.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)