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Ueber die Bepflanzung der Wege mit Obstbäumen.
Vom Herrn Prof. Ed. Lange in Altenburg.

Die Wege sind ein reiner Verlust an tragbarem Boden, so unerläßlich und heilsam sie auch für die Ausbeutung des Nutzlandes sind, das durch sie erst zugänglich gemacht wird. Aber warum sollten sie denn ganz ohne unmittelbaren Ertrag bleiben? Können sich doch unter sie hin die Wurzeln nützlicher Obstbäume hinziehen, deren Kronen sie oben beschatten und so das Licht nützen, dessen die Wege und die Fuhrwerke darauf nicht so bedürfen, wie die früchtereichen Fluren, welche sie durchziehen. So macht schon der Wunsch, die vorhandene Bodenfläche so viel als möglich zur Hervorbringung nützlicher Erzeugnisse zu verwenden, die Bepflanzung der Wege mit Obstbäumen räthlich. Ebenso dringend fordert auch die Vorsorge für die Erhaltung unserer Mitmenschen dazu auf, welche im Winter von Schneegestöber im Freien überfallen werden und nun an den die Wege bezeichnenden Baumpflanzungen einen Anhalt haben, um die Richtung nicht zu verlieren und nicht wohl gar zuletzt ermattet im Schnee zu erfrieren. In zu rauhen Gegenden mag man sich hierzu immerhin der gewöhnlichen Waldbäume, z. B. der Eberesche bedienen; nur dürfen diese nicht, wie die Pappeln mit ihren flach gehenden Wurzeln weithin in’s Ackerland hinein laufen und dieses aussaugen und austrocknen, während die hoch gehenden Kronen zugleich Licht und Regen auffangen und dadurch den Schaden noch vermehren. Wo dagegen das Klima dieses nur irgend zuläßt, verdient der Obstbaum jedenfalls den Vorzug. Sollte es aber wegen der geringen Breite der Wege nicht räthlich seyn, beide Seiten derselben mit Obstbäumen zu bepflanzen, so ist auch eine Reihe hinreichend. In diesem Fall ist es denn räthlich, bei Wegen, die von Ost nach West ziehen, die Südseite, bei Wegen hingegen, die von Süd nach Nord laufen, die Westseite derselben zu bepflanzen. So werden die Baumkronen weniger die anliegenden nutzbaren Grundstücke als die Wege beschatten und den herabfallenden Regen nicht sowohl den anstoßenden Fruchtäckern als den Wegen entziehen, die gegen Norden oder Osten dahinter liegen. Welche Obstart aber zur Bepflanzung der Wege zu wählen sey, muß von Klima und Boden und von den Absatzverhältnissen abhängen. Doch würde ich den Sauerkirschen wegen ihrer herabhängenden Kronen, und wegen ihrer weit und flach hinziehenden Wurzeln jeder Zeit die letzte Stelle einräumen.



Die Probe- oder Sortenbäume

sind jetzt für strebsame Pomologen kaum noch zu entbehren. Bald entdecken letztere in ihren Baumschulen junge Bäume, deren ganzer Wuchs ihnen vielversprechend erscheint. Bald erhalten sie aus der Ferne eine Menge Pfropfreiser gerühmter neuer Obstsorten. Bald haben sie Ursache, an der Aechtheit bereits erhaltener Obstsorten zu zweifeln oder die Identität zweier oder mehrerer verschiedennamiger Obstsorten zu vermuthen. In allen diesen Fällen kann die Anlegung von Sortenbäumen recht ersprießliche Dienste

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)