Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 140.jpg

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So blieb es bis auf die neuesten Zeiten; man zog nur veredelte Stämme an, und nur zufällig, oder aus Nachlässigkeit wuchs etwa ein Wildling auf, und vermehrte hin und wieder einmal die Zahl edler Früchte, die man fortpflanzte, wie die mehrerlei[WS 1] Bezis, die wir aus Frankreich erhalten haben, als Motte, Montigny, Lechasserie, Chaumontel und Andere beweisen. Ja, man kam von der Anzucht unveredelter Sämlinge um so mehr ab, da man die Wildlinge für die Baumschulen nur aus Kernen schlechter Obstarten und insbesondere des Holzapfels und der Holzbirn erzog, weil man solche für dauerhafter und besser hielt, wobei, wenn dann einmal ein Wildling unveredelt aufwuchs, die Früchte, die er trug, desto schlechter ausfielen. Nach und nach aber änderte sich diese letzte Ansicht; die Holzäpfel verschwanden immer mehr, und ihre Kerne waren nicht immer zu haben, oder man bemerkte, daß die Wildlinge aus Edelkernen ein rascheres Wachsthum hatten; kurz man nahm zu Unterlagen Wildlinge aus Kernen von allerlei guten Obstarten, und hielt bald dafür, daß solche die besten seyen. So besonders seit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Um so öfter ereignete es sich nun, daß aus ungeimpften Wildlingen mehr oder weniger gute, und selbst vorzügliche Varietäten von Obst gewonnen wurden, die man gern sammelte; doch blieben Alle der Meinung, man könne die Methode, unveredelte Stämme zu erziehen, nicht allgemeiner machen, weil in der Regel die Früchte solcher Bäume schlechter ausfielen, als die des Mutterstammes, ja oft selbst der wilden Urart ganz ähnlich würden. So: Beckmann, Rammelt, Manger, Münchhausen und Andere. Aber schon Jacobi (im Hausvater Th. I. p. 582) ermunterte zur Anzucht unveredelter Stämme aus guten Kernen, weil man Hoffnung habe, dadurch neue Sorten zu erhalten, und Ehrhard (Beiträge zur Naturkunde, IV. p. 69.) meinte, daß das übertriebene Pfropfen und Oculiren unnöthig sey, indem er selbst ungeimpfte Stämme erzogen habe, die die schönsten Früchte getragen hätten. Ja, da man unter den echt gemachten Stämmen nach und nach immer mehr klein bleibende, kranke und nicht lange dauernde bemerkte, und dagegen den gesunden Wuchs und das hohe Alter der wilden Apfel- und Birnbäume und selbst so mancher aus Edelkernen erzogenen Sämlinge bewunderte, so fing man an, die Veredelung als eine Verkrüppelung und als Ursache der geringeren Größe und Dauerhaftigkeit der Obstbäume zu betrachten. Dieser Ansicht war unter Anderen der Kurpfälzische Gartenbau-Direktor Schell zu Schwetzingen, der zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Akademie nützlicher Wissenschaften in Erfurt veranlaßte, eine diesen Gegenstand betreffende Preisfrage aufzugeben. Er meinte, man habe vielleicht mit Unrecht bisher angenommen, daß die Obstfrüchte sammt und sonders nur Spielarten der bei uns vorkommenden wilden Aepfel und Birnen seyen; es möchten sich wenigstens wohl mehrere und auch edle Muttersorten unter ihnen auffinden lassen, die man mit Sicherheit und in bleibender Güte aus dem Samen erziehen könne. „Mit Mühe,“ schrieb er an die Akademie der Wissenschaften, „konnte ich glauben, daß alle unsere so zahlreichen Obstfrüchte mit so auffallender Verschiedenheit an Blättern, Aestebau, Gestalt der Früchte, vorzüglicher Güte, verschiedener

Reifzeit und Dauer, lauter Spielarten der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wie Diel die mehrerlei (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)