Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 141.jpg

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Natur und alle aus Samen ungenießbarer Früchte entstanden seyen. Es schmerzte mich, wenn ich eine wohlgebildete Goldreinette öffnete, und mir sagen mußte, dieser gesunde Samen, von einem so köstlichen Apfel genährt, kann ihn nicht wieder erzeugen; die jungen Bäumchen, die von diesen Kernen erwachsen, müssen erst durch die Kunst verkrüppelt und so veredelt werden, wenn sie diese nämliche gute Frucht wieder hervorbringen sollen. Oefters bewunderte ich die wilden Holzäpfel- und Birnbäume, die dieser Operation nicht unterworfen sind, ihr gesundes Ansehen, die Dauer ihres Lebens, und fand, wie nachtheilig diese künstliche Veredlung für die Dauer der Fruchtbäume ist, und um so mehr, wenn solche von einer ungeschickten Hand verrichtet wird“ etc. Da diese Betrachtungen allerdings Gewicht hatten und Interesse darboten, so wünschte nun die Akademie zu wissen, ob nicht unter unsern Obstfrüchten sich wenigstens einige edle Muttersorten möchten auffinden lassen, die man mit Sicherheit und ohne Veränderung in Gestalt und Güte aus dem Kern, ohne Pfropfen, erziehen könne; wie und wo die vielen guten Sorten möchten entstanden seyn, und ob man bestimmte Versuche darüber habe, daß der von gutem Obste ausgestreute Same immer neue Spielarten und insbesondere auch schlechtere Früchte hervorbringe, so daß man, bei beständiger Fortpflanzung durch den Samen, in absteigender Linie zuletzt den Holzapfel und die Holzbirn wieder erhalten würde. – Es wurde nachher den vom Professor C. L. Wildenow in Berlin und Ober-Commissär Homeyer zu Limmer eingelaufenen Schriften der Preis zuerkannt, die unter dem Titel: „Wildenow’s und Homeyer’s gekrönte Preisschriften über die von der Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt aufgegebenen pomologischen Preisfragen,“ zu Erfurt 1801 herauskamen.

Wildenow in seiner gehaltreichen Schrift zeigt, wie unter dem Einflusse der Kultur alle organischen Wesen, und insbesondere die Pflanzen, mehr oder weniger abändern, so daß zwar die Art bleibe, aber Spielarten entständen, die, bei weiterer Fortpflanzung und der hinzukommenden gegenseitigen Befruchtung der entstandenen Abarten, immer wieder andere neue Formen annehmen; wobei aber die Natur beständig ein Bestreben zeige, zu der ursprünglichen Form wieder zurückzukehren. Unsere Kernobstsorten hält er für lauter Spielarten des Holzapfels und Johannisstamms und des wilden Birnbaums (Pyrasters), von deren Samen in südlicheren Gegenden und in gebautem Boden zuerst die besseren Sorten entstanden seyn möchten. Es sey daher, da man nie wieder alle Umstände, die auf die Entstehung einer Varietät eingewirkt hätten, vereinigen könne, schlechterdings unmöglich, nur mit Wahrscheinlichkeit aus dem Kern einer guten Sorte dieselbe Frucht wieder zu erhalten. Auch zeigten es die Wildlinge, die in Deutschland hin und wieder aufgewachsen seyen, noch mehr aber die Versuche mancher Gärtner im Elsaß und andern Gegenden Frankreichs, die aus dem Samen Aepfel und Birnen aufzuziehen bemüht seyen, daß man unter tausend Stämmen einer bestimmten Sorte von Aepfeln oder Birnen kaum zehn erhalte, die wie der Mutterstamm Früchte trügen, und daß noch seltener unter dieser Zahl ein oder der andere Baum sey, der bessere Früchte hervorbringe, indem die meisten geringer an Güte ausfielen, manche dem Holzapfel nahe, oder gleich seyen. Uebrigens glaubt er, daß

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Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)