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Fruchtsorten könnte man nicht zum Obste rechnen, sobald sie nicht irgendwo allgemein genossen wird. Dieß geschieht beim Obst entweder roh, oder mit und ohne Zucker eingemacht, und eines Zusatzes von Salz oder Fett, oder scharfen Gewürzen, um sie genießbar zu machen, bedürfen die Obstfrüchte nicht, wodurch sie sich aber wesentlich vom Gemüse unterscheiden. Ich zähle darum die Melonen allerdings zum Obste, wie auch Liegel schon gethan; die Gurken aber muß ich ausschließen, denn sie bedürfen, sollten sie eine angenehme Speise geben, wenigstens eines Zusatzes von Eßig oder Senf. Auch gedörrt wird das Obst genossen, doch kann die Bestimmung füglich aus der Definition wegbleiben.

Endlich erfreuen sich sämmtliche Pflanzen, welche Obstfrüchte liefern, eines gewissen Cultus von Seite des Menschen; wild wachsende Früchte, wie die Mehlbeere, die Heidelbeere, die Bucheckern, rechnet man gewöhnlich nicht zum Obste. Eben der angenehmen Nahrung wegen, welche die Obstfrüchte geben, und um deren so viel als möglich theils für den eigenen Gebrauch, theils für den Handel und zwar von bester Beschaffenheit zu haben, werden solche Pflanzen nicht blos von den gebildeten Völkern, sondern auch von Wilden gepflanzt und gepflegt. Der Begriff und das Wort Obst hat sonach auch eine kulturhistorische Bedeutung. Völker, bei welchen sich keine Kultur solcher Pflanzen fände, werden auch kein Wort für Obst in ihrer Sprache haben, und stehen gewiß auch sonst auf einer sehr niedern Stufe der Bildung.

Dem Obigen zufolge heißen also Obst: die fleischig-saftigen und fettöligten Früchte gewisser Pflanzen, welche nicht nur eine angenehme und gesunde Nahrung geben, sondern auch theils roh, theils mit oder ohne Zucker eingemacht und jedenfalls ohne eines Zusatzes von Fett, Salz oder scharfen Gewürzes zu bedürfen, irgendwo allgemein genossen werden und darum für den eigenen Gebrauch oder für den Handel mehr oder weniger kunstmäßig erzogen und gepflegt werden.

Eine deutsche Abstammung für das Wort Obst habe ich nicht finden können. Am nächsten steht ihm das griechische opson, opora. Beide Worte finden sich in der Bedeutung für Obst. Das erste heißt eigentlich von Hitze Zubereitetes, das zweite die heiße Jahreszeit, daher auch die Hundstage.

Nach Kaltschmidt[WS 1] heißt Obst althochdeutsch: obaz, opaz, obiz, obez, obazo, obeze; niedersächsisch: avet; böhmisch: owoce; bairisch: Obeß.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jakob Heinrich Kaltschmidt (1799-1872), deutscher Sprachwissenschaftler und Lexikograph.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)