Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 206.jpg

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mehr praktisch angegriffen zu haben, und mögen wir von ihnen lernen. Man sollte wohl glauben, daß zu einer Beschränkung der zu vielen jetzt in Deutschland gebauten Obstsorten auf ein mäßiges, zu übersehendes Maaß der besten schon bekannten Varietäten, nichts wirksamer seyn werde, als das im Laufe des vorigen Jahres erfolgte Erscheinen mehrerer Werke, die sämmtliche bekannte Obstsorten nebst deren Synonymen zusammenzustellen suchen. Es muß dadurch Jedem fühlbarer werden, daß unter der Last des Ganzen jede nur einigermaßen verbreitete Obstkunde und rationeller Obstbau reine Unmöglichkeit seyn würden. Möchten wir nur erst in Deutschland mehrere ähnlich conservative und sichtende, für die Dauer bestehende Anstalten haben, als die in Chiswick!

Unter den kleinern Schriften, die in neuerer Zeit die Lehre von der Obstbaumzucht populär behandelt haben, nennt der Herr Verfasser S. 145, als besonders vortrefflich, die Schrift: „Praktische Anweisung zur Obstbaumzucht von Ulrich, 5te Aufl. Stettin 1853.“ Dabei muß jedoch bemerkt werden, daß in einer Recension dieser Schrift in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, 92tes Stück von 1854[WS 1], diese Schrift allerdings gleichfalls als für den Landmann sehr brauchbar erklärt, jedoch hinzugefügt wird, daß sie wenig oder gar nichts Eigenthümliches enthalte und, wenn auch nicht ausschließlich, doch – ähnlich wie das mit großen Ansprüchen auftretende Handbuch des Obst- und Gartenbaues von W. Löbe, Leipzig 1852[WS 2], – fast ganz nach der für ihre Zeit vorzüglichen und noch immer zu der besten gehörenden Anweisung zum Obstbau etc., für den Bürger und Landmann, von dem Hof-Garten-Inspector Bayer zu Herrnhausen (Hannover 1836)[WS 3] bearbeitet zu seyn scheine, ohne daß Herr Ulrich dieser Schrift auch nur Erwähnung gethan habe.

S. 123 bemerkt der Herr Verfasser, daß ein merkliches Hinderniß gegen die praktische Brauchbarkeit der vorhandenen Obstsysteme auch darin liege, daß es sich „in der Wirklichkeit immer mehr herausstelle, daß die Vermischung des Pollens mit unter sich verwandten Sorten ganz merkwürdige Resultate liefere.“ Mit ein wenig Aufmerksamkeit könne man diese Thatsache an vielen Aepfel- und Birnsorten sich alljährlich wiederholen sehen, und sey es gar nicht schwer, bei der Obsterndte von einer und derselben Sorte sechs Sorten zu bilden, die an Form und Farbe wesentlich von einander abweichen. – Die Thatsache, daß manche Obstsorten gern mehrerlei Formen annehmen oder in der Färbung abändern, ist allerdings bekannt, wenn gleich Beispiele, wo von demselben Baum ein halbes Dutzend scheinbar verschiedene Sorten genommen werden könnten, so leicht sich doch nicht finden möchten, aber es ist wohl noch die große Frage, ob diese Verschiedenheit in Form und Färbung der Frucht an demselben Baume von einer fremden Bestäubung herrührt. Zuversichtliche Resultate, ob und welchen Einfluß eine geschehene fremde Bestäubung schon auf die Form und sonstigen Eigenschaften der durch sie entstehenden und heranwachsenden Frucht habe, könnten wohl nur durch absichtliche Versuche erzielt werden, und es wäre dies Capitel wohl werth, daß ein Pomologe sich mit demselben geflissentlich und länger beschäftige, oder daß Jemand bereits darüber vorhandene sichere Resultate ausführlicher mittheile. Es gibt einzelne Erfahrungen, die für einen Einfluß des Pollens schon auf die gleich nach der Bestäubung erwachsende Frucht oder Kern darzuthun scheinen, und habe ich in meiner Brochüre über Probebäume deren einige angeführt (z. B. daß in den Schoten von Levkojen öfter verschieden gefärbte Körner vorkommen, die nachher Blumen von entsprechender Farbe bringen;) aber abgesehen davon, daß derartiges selten vorkommt, und bei dem Obste die anscheinend einschlägigen Data sämmtlich wohl noch zweifelhaft sind, man auch in der Nähe häufig gar keine Frucht findet, von deren Einflusse man die Abweichung unter den Früchten eines Baumes herleiten und erklären könnte, und man gewiß einen solchen Einfluß, wenn er statt fände, nicht bloß bei Kernobstsorten finden (auch übt nach allen vorliegenden Erfahrungen und Beobachtungen eine solche Bastardbefruchtung ihren Einfluß niemals auf die Samenhüllen, also hier auf die Früchte, sondern lediglich auf die Saamen aus), so habe ich meinerseits, bei häufiger Aufmerksamkeit auf den hier fraglichen Punkt bei den Früchten an Probebäumen, wo gegenseitige Bestäubung am häufigsten vorkommen muß, nichts Erhebliches beobachten können, was für den gedachten Einfluß spräche, und fand die Früchte, namentlich in regelmäßigen Jahren und bei vollerem Tragen immer im Wesentlichen überein. Dagegen habe ich oft Verschiedenheiten in Form oder Färbung beobachtet, die sich nur in einem bestimmten Boden oder bei sehr abnormer Witterung etc. fanden, öfter auch vom Grundstamme herrühren mochten, und die verschiedenen Formen, die eine Kernobstsorte öfter annimmt, sind wohl nicht schwerer erklärlich, als

die verschiedenen Formen, die die Knollen mancher

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Göttingische gelehrte Anzeigen. Jg. 1854, Bd. 2, S. 919–920 Google
  2. William Löbe: Handbuch des Obst- und Gartenbaues für Landwirthe. Leipzig 1849
  3. G. C. Bayer: Anweisung zum Obstbau und zur Benutzung des Obstes, für den Bürger und Landmann. Hannover 1836 MDZ München
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_206.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)