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Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes etc. vom Herrn Prof. Wappäus in Göttingen (aus den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1853.)

Der Obstbau, der sich, wie der Gartenbau überhaupt, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bei uns einer großen allgemeinen, indeß doch nur vorübergehenden Gunst erfreute, ist in seiner volkswirthschaftlichen Bedeutung erst in neuerer Zeit wieder allgemeiner in Deutschland erkannt und damit auch vielfältiger wieder ein Gegenstand der Aufmerksamkeit und Pflege von Seiten der Regierungen geworden. Der Erfolg dieser Bemühungen, welche überhaupt nur sehr allmälig Früchte tragen können, ist sehr verschieden gewesen, nicht allein nach dem Gegensatz zwischen Süd- und Norddeutschland, was vorzüglich mit klimatischen und landwirthschaftlichen Verhältnissen, zum Theil jedoch auch mit ethnographischen Unterschieden zusammenhängt, sondern auch innerhalb der einzelnen Provinzen eines und desselben Landes und zwar ziemlich unabhängig von Bedingungen, die man für maßgebend halten sollte. In unserem Königreich z. B., in welchem nach einem bald vorübergehenden Aufschwunge in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, der Obstbau im Allgemeinen, einzelne Oertlichkeiten ausgenommen, wieder sehr vernachläßigt wurde, hat die Beförderung, welche die Regierung demselben theils schon seit längerer Zeit durch die Anlage und Unterhaltung der großartigen Baumschulen (Königliche Obstbaumplantage) zu Herrenhausen, theils erst neuerdings wieder durch direkte Unterstützungen hat angedeihen lassen, bis jetzt in zwei Provinzen sehr günstig gewirkt, nämlich in den Landdrosteibezirken Hildesheim und Hannover. In der ersteren fängt der Obstbau überall an, sich zu verbreiten und in der anderen wird derselbe, namentlich im Calenbergischen, auf den bäuerlichen Gütern jetzt mit großer Vorliebe getrieben; und daß der Obstbau auch einen nicht unbedeutenden Gewinn in diesen klimatisch keineswegs vorzugsweise begünstigten Gegenden abzuwerfen im Stande ist, geht z. B. daraus hervor, daß in dem Landdrosteibezirk Hannover in guten Jahren, wie 1849, allein die Anpflanzungen an den königl. Chausseen 3000 Rth. für verkauftes Obst lieferten und in weniger günstigen Jahren doch noch zwischen 1600 (i. J. 1846) und 1800 Rth. (i. J. 1851). Die beiden genannten Provinzen sind aber auch die einzigen des Königreichs Hannover, in denen der Obstbau eine allgemeinere Verbreitung gefunden hat; in allen anderen haben die Bemühungen der Regierung zur Hebung der Obstbaumzucht und des Obstbaues bis jetzt so gut wie gar keine Früchte getragen. Am meisten von allen scheint der Landdrosteibezirk Osnabrück in der Kultur des Obstes zurückgeblieben zu seyn; in Ostfriesland hat bis jetzt nur auf der Geest die Ermunterung zum Obstbau einigen Erfolg gezeigt, während in der Marsch dagegen noch ein allgemeines Vorurtheil herrscht. Das letztere ist auch durchgängig noch im Lüneburgischen der Fall, obgleich in einem Theil desselben der Obstbau einen wichtigen Erwerbszweig der ländlichen Bevölkerung bildet und auch im Landdrosteibezirk Stade, der doch das fast nur einen großen Obstgarten bildende Alte Land (in welchem z. B. im vorigen Jahre einzelne Einwohner des Hausmannsstandes allein für verkaufte Aepfel 300 bis 400 Rth. gelöst haben) umfaßt, steht im Ganzen der Obstbau noch auf einer sehr niedrigen Stufe. – Dieses Zurückbleiben der Obstcultur in dem größeren Theile unseres Landes muß aber, und namentlich auch in volkswirthschaftlicher Beziehung um so mehr bedauert werden, als der Obstbau gerade für die Klasse der bäuerlichen Grundbesitzer, die für sich und ihre Erben des Grundbesitzes sicher seyn können, und die in unserem Lande verhältnißmäßig so zahlreich ist, einen sehr wichtigen Nebenzweig der Landwirthschaft zu bilden geeignet ist. Für diese Klasse der Landwirthe hat der gute Betrieb des Obstbaues unzweifelhaft den günstigsten Einfluß auf den Wohlstand, weil er nicht allein mit schätzbaren Nahrungsmitteln versorgt, sondern auch einen ansehnlichen Erlös bewirkt, ohne dabei einen irgend erheblichen Kapital- und Zeitaufwand zu erfordern, indem die nöthigen Geschäfte füglich in Nebenstunden verrichtet werden können und der dazu benutzte Boden anderen Kulturen nicht entzogen zu werden braucht. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, muß es gewiß auch im volkswirthschaftlichen Interesse unseres Landes bedauert werden, daß in neuerer Zeit bei uns unerachtet der von der Regierung diesem Gegenstande gewidmeten Aufmerksamkeit die Theilnahme, welche die Obstbaumzucht und der Obstbau eine Zeit lang beim gebildeten Publikum, namentlich unter den Gartenfreunden und den größeren Landwirthen gefunden hat, so sehr erkaltet ist, daß z. B. die einzige Gartenbau-Gesellschaft unseres Landes, der Gartenbau-Verein für das Königreich Hannover

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_214.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)