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Winter Calville, Muskatreinette etc., ist aber selbst diesen Sorten nur in gewissen Bodenarten und Lagen eigen und kommt ebenso wohl an ungepfropften Sämlingen vor, ja würde sich unter diesen noch weit öfter finden, wenn man alle Sämlinge, die man in der Baumschule hat, unveredelt auspflanzte. Ich habe in meiner 1852 erschienenen größeren Schrift mich ausführlicher über den Baumkrebs erklärt, und wird es mir immer gewisser, daß die Ursache davon allermeistens im Boden liegt (vielleicht, wie wenigstens Diel wollte, in einem Ueberflusse an Kohlenstoff, durch den der Sauerstoff der Luft angezogen werde, weßhalb Kalk und Asche wohlthätige Heilmittel seyen.[1] In Bardowick hatte ich auf den höhern Stellen des Gartens zwei gesunde Hochstämme von Calville blanc, während ein dritter, im obgedachten Suppenkrautboden sehr an Krebs litt, aber weit schönere Früchte hatte. Auch in Sulingen kam der Krebs öfter auf den feuchteren Stellen des Gartens und der Baumschule vor, selten aus den höheren und in den Gärten vor Nienburg, auch generell bei Bardowick, waren selbst Muskatreinette, Calville blanc und ähnliche sehr gesund, während ich niemals einen so krebssüchtigen Boden gefunden habe, als in meinem Garten in Nienburg, wo indeß ebensowohl manche neuere Samensorten als der Breedon’s Pepping, Diel’s Reinette, August van Mons, Stein’s rother Winter Pepping, Kaiser Alexander von Rußland, Aremberg, Loires Gewürzbirn etc. litten, als umgekehrt sehr alte Sorten, wie Rother Herbstcalvill, Pigeon rouge, Großer edler Prinzessinapfel, Rothe süße Winter Reinette, Purpurrother Winter Agatapfel etc. 15 Jahre hindurch gesund blieben, und es dort noch jetzt sind.

Gleichfalls ist das leichte Abfallen der Früchte nicht Folge der Veredlung oder des Alters einer Sorte, sondern ein

Erbfehler gewisser Sorten, die man vermeiden


  1. Ueber kein Kapitel in der Obstbaumzucht ist wohl so viel geschrieben, vermuthet und verschiedenartig statuirt, als über die Ursachen des Baumkrebses, ohne daß wir noch zur Stunde irgend etwas Gewisseres und die Verhütung der Krankheit hinreichend Ermöglichendes darüber wüßten. Man suchte die Ursachen in Quetschungen, unzweckmäßigem Beschneiden, zu tiefem Pflanzen, Glatteis, Nagen der Insekten, Jahreswitterung, Nässe im Boden, zu stark gedüngtem und zu magerem Boden, Boden überhaupt, Standort, Grundstamm, Pfropfen, Klima, Abgelebtheit der Sorten etc. Ich kann nur so viel, nach meinen Beobachtungen einigermaaßen bestimmter sagen, daß Krebs seinen nächsten Anlaß in einer örtlichen Stockung der Säfte zu haben scheint, daß man aus dem Umstande, daß die angeschnittene krebsige Rinde, auch wenn sie beim Schnitte noch die Normalfarbe hatte, sehr bald sich braun färbt, auf ein Angezogenwerden des Sauerstoffs der Luft durch die krebsigen Stellen schließen läßt; daß der Krebs sich hauptsächlich in gewissen, dazu besonders inclinirenden Bodenarten (unter sich übrigens von oft sehr verschiedener Beschaffenheit) zeigt und dann wieder vorzugsweise an manchen zu dieser Krankheit besonders geneigten Sorten; daß die Zeit seiner Entstehung hauptsächlich in die nasse Winterzeit fällt, und die Witterung allerdings viel zur Vergrößerung des Uebels beizutragen scheint, so wie er sich am häufigsten in den Winkeln zeigt, wo ein Zweig in einen andern sich inferirt. Dieselbe Erscheinung kann mehrere Ursachen haben, und so sind wohl mehrere der obgedachten Ursachen nicht ohne Grund, als den Krebs veranlassend, betrachtet worden; auch mag es zwei eigentlich verschiedene Arten von Krebs geben, wo der eine aus Mangel an guter Nahrung, der andere vielleicht aus stellenweise zu sehr angehäuften Säften entspringt. Möchten die Chemiker, mit den bedeutenden ihnen jetzt zu Gebote stehenden Mitteln dieses dunkle Kapitel einmal mehr aufzuhellen suchen! Es ist auffallend, daß dies noch keiner versucht hat!
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_247.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)