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jene stark beschädigten Bäume eher verkäuflich geworden, als die andern.

Durch den starken Rückschnitt der vorher an Pfählen schwach hinaufgezogenen Stämme wurden dieselben zu einem neuen und weit kräftigeren Trieb gebracht, und so war es allerdings natürlich, daß der Schaden sich in Gewinn verwandelte.

Als ich im Jahr 1850 einen Theil von Oberschwaben bereiste, besuchte ich auch einen der ersten von mir herangebildeten Baumwärter zu Ertingen bei Riedlingen. Vater und Sohn freuten sich ungemein über meinen Besuch, allein der Vater, der auch eine kleine Baumschule besitzt, klagte mir, er könne jetzt leider fast keine Bäume mehr verkaufen, während die Bäume seines Sohnes den besten Abgang fänden. Die Baumschule des Vaters enthielt nur dünne, schlecht erzogene Stämme, die des Sohnes dagegen enthielt bei Anwendung der Dittrich’schen Erziehungsmethode, die ich mit einigen Modifikationen hier eingeführt und meinen Schülern stets besonders eingeprägt habe, nur starke, schöne kräftige Stämme, die nicht halb so alt, wie die des Vaters, aber noch einmal so stark waren.

Für alle Baumschulen, die in rauhen Lagen und überhaupt in nicht ganz günstigen Verhältnissen sich befinden, ist durch die Dittrich’sche Erziehungsmethode mit den in meiner Schrift „die Gemeindebaumschule, 2. Aufl.“ gegebenen Verbesserungen, namentlich den Zapfenschnitt am Leitzweig, wodurch die Krümmungen des Stammes fast ganz zu vermeiden sind, die noch manchen Baumzüchter von derselben abhalten, das Mittel gegeben, nicht nur weit schönere, stärkere Bäume, sondern auch in kürzerer Zeit dieselben zu erhalten, und auch solche, die von Natur einen zu schwachen Trieb haben, doch zu nützlichen Bäumen, seyen es Pyramiden oder Halbhochstämme, heranzubilden, während die letztern sonst nur entweder Ausschuß waren, oder als ganz untauglich beseitigt werden mußten.

Um so mehr ist es zu bewundern, daß in der Baumschule des Thüringer Gartenbauvereins in Gotha diese Erziehungsmethode, wie mir Hr. Pfarrer Koch in Friemar im Herbst 1853 erzählte, wieder aufgegeben wurde; jedenfalls muß diese Baumschule sich in überaus günstigen Bodenverhältnissen befinden, wenn sie bei der Erziehung des Stammes ohne Nachhülfe durch das Messer ihre Rechnung findet.

Solche günstige Verhältnisse, wo ohne Beihülfe des Messers die jungen Obstbäume (mit Ausschluß einiger, als besonders starkwüchsig bekannten Sorten) starke, schöne Stämme bilden, sind nicht gerade häufig. Bei uns finden wir sie besonders bei den in Weinbergen gezogenen jungen Obstbäumen, aber so schön diese auch aussehen, so vollkommene Wurzeln, glatte und schöne Stämme sie haben, so sind sie doch, als aus den geschützten Lagen, in denen der Weinstock gedeiht, stammend, zu sehr an ein mildes Klima gewöhnt, um in rauheren Lagen, wie auf der Alb, in Oberschwaben u. s. w., gut fortzukommen, und es lassen sich daher vielfache Klagen hören über das Nichtgedeihen derselben.

Aber dieselben Klagen werden auch laut über die aus dieser oder jener freigelegenen Baumschule bezogenen Bäume, und gerade unsere Hohenheimer Baumschule hat eine Reihe von Jahren lang diese Klagen in solchem Grade veranlaßt, daß man z. B. in Oberschwaben häufig noch jetzt der Ansicht ist, die Bäume aus der Hohenheimer Baumschule

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_266.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)