Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 286.jpg

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Exemplare wählen wird, ebenso wenig darf dieß in der Pomologie stattfinden.

4) Da ferner die Veredlung des Kernobstes auf fremdartige Unterlagen nicht naturgemäß genannt werden kann, was sich schon daraus zeigt, daß alle auf dergleichen Unterlagen gepfropfte Sorten, wegen Verschiedenheit der Textur des Holzes, der Saftgefässe etc. sehr dem Brand ausgesetzt sind, was auf angemessenen Wildlingen nicht der Fall ist, so dürfen auch die Früchte nur von einem auf dem eigenen Wildling stehenden Stamm genommen werden, worüber weiterhin noch Mehreres.

Hierzu kommt nun noch die Beobachtung:

5) Daß Früchte, welche ein Baum in erster oder zweiter (ja oft selbst dritter) Tracht hervorbringt, noch nicht die der Sorte zukommenden Eigenschaften an sich tragen, vielmehr gewöhnlich von den Früchten der folgenden Trachten in Gestalt, Geschmack etc. noch sehr abweichen, und ebenso

6) daß die Früchte, welche die Bäume an dem jungen ein- oder zweijährigen Holze tragen, von den übrigen an dem eigentlichen Trageholz (den Ringelspießen) erwachsenen Früchten verschieden sind.

Es erhellet aus dem Vorstehenden, daß über die Eigenschaften einer Sorte und was von denselben wesentlich, beständig oder veränderlich ist, stets nur nach mehrjähriger Beobachtung entschieden werden kann, wie schon Oberdieck, Sortenbäume S. 46, wiederholt bemerkt hat, und daß also Beschreibungen und Abbildungen nach einzelnen vorliegenden Früchten nie oder nur zufällig genügen können.

Wie bei der Ornithologie so lange große Verwirrung stattfand, als man noch die große Verschiedenheit der jungen unausgefärbten Vögel von den alten nicht gehörig berücksichtigte, so ist es auch mit den Obstsorten der Fall, wenn man noch nicht völlig ausgebildete oder unvollkommen ausgefärbte Früchte, nicht gehörig von den völlig ausgebildeten unterscheidet. Um nun den Begriff der vollkommenen Frucht in jeder Beziehung auseinander zu setzen, als auch um darzulegen, wie die verschiedenen äußeren Einflüsse mehr oder weniger auf die verschiedenen Eigenschaften der Früchte einwirken, und in wie weit und auf welche Weise ich die verschiedenen Eigenschaften der Kernobstfrüchte zur Anwendung bei der Classifikation für brauchbar erachte, wird es nothwendig werden, diese Eigenschaften selbst genauer zu betrachten.

„Zwar lassen sich auf dem Papier in der Studierstube, sagt Schleiden[WS 1] in seinem Werke: die Pflanze und ihr Leben, 1848, S. 85, prächtige Systeme ausdenken, aber für die Wirklichkeit haben diese gar keine Bedeutung. Sowie wir an diese hinantreten, müssen wir vielmehr bescheiden erst anfragen, ob die Natur geneigt sey, uns ihre Geheimnisse zu verrathen, ob sie in diesem oder jenem einzelnen Falle uns offenbaren will, welche Merkmale sich bei ihrer Gestalten-Bildung als wesentlich aussprechen, welche Grundlagen sie also zur Bildung unserer Systeme darbietet.“

Die Eigenschaften der Kernobstfrüchte sind äußere und innere. Hinsichtlich der erstern kommt also in Betrachtung: Form, Größe, Farbe, Schale, Kelch, Stiel; hinsichtlich der letztern: Kernhaus, Fleisch, Geschmack, woran sich noch Geruch, Reifzeit und Dauer anschließen. Ich werde mich hier zuvörderst auf die Form der Kernobstfrüchte beschränken. –

Nach dem Vorstehenden kann nur die Form völlig naturgemäß ausgebildeter Früchte in Betracht kommen. Jede Frucht,

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_286.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)