Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 288.jpg

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Selbst Ausdrücke, wie cylindrisch, prismatisch, kreis- und kugelrund, kegelförmig und dergl. m., haben in ihrer Anwendung auf die Pflanzenwelt keine scharfe mathematische Bedeutung mehr, sondern nur einen annähernden Vergleichungswerth.“

Die Frucht hat also immer eine regelmäßige Anlage und im vollkommenen Zustande auch eine regelmäßige Ausbildung, und daher der Grundlage nach nur eine regelmäßige Verschiedenheit von oben und unten, nicht aber von rechts und links. Eine regelmäßig gewachsene Frucht, sey es Birne oder Apfel, muß also nach den Seiten gleichmäßig rund, oder fünf- oder zehnfach eckig geformt seyn und kann nur nach oben und unten eine Verschiedenheit der Form zeigen. Sowie das Kernhaus bei naturgemäßer Ausbildung stets regelmäßig (nach vorstehender Angabe des Begriffs) gebildet ist, so muß auch die vollkommene Frucht der Form nach stets in diesem Sinne regelmäßig ausgebildet seyn. Sobald also eine Kernobstfrucht nicht regelmäßig, d. h. von der beschriebenen naturgemäßen Bildung abweichend (also von der Axe aus nach den Seiten nicht gleichmäßig, oder nicht regelmäßig fünffach entgegengesetzt etc.) gebildet ist, ist dieselbe hinsichtlich der Form nicht als eine vollkommene Frucht anzuerkennen. Faßt man die Sache so auf, so wird man die jeder Sorte eigenthümliche Form unter den verschiedenen Formen, welche die Früchte eines Baumes zufällig annehmen, leicht unterscheiden können. Schon Knoop §. X, 1, seiner Pomologie sagt daher mit Recht: „Ob zwar die Form und Farbe das vornehmste Kennzeichen von der Sorte ist, so muß man doch zu diesem Ende eine vollkommen ausgewachsene Frucht am Baume auslesen oder haben, indem auf dem nämlichen Baum vielmals Früchte von verschiedener Form wachsen; doch findet man, daß die ausgewachsenen allezeit ihrem Wesen nach, mit der natürlichen Form nahe genug übereinstimmen und man also die übrigen für unförmlich oder unvollkommen zu halten habe,“ und fügt später noch hinzu: „daß eine ausgewachsene (vollkommene) Frucht, sie mag gleich groß oder klein seyn, allezeit ihre natürliche und angeborene Form behalte.“

Dergleichen Unregelmäßigkeiten der Form der Früchte entstehen hauptsächlich:

theils durch den Druck der Früchte auf einander (bei dem Uebereinanderhängen derselben) oder auf andere Gegenstände, wodurch besonders Verdrückung der Form in der Breite oder Länge, Krümmungen etc. entstehen; man findet daher solche Unregelmäßigkeiten weit mehr bei den Birnen, als bei den Aepfeln, weil die Birnen Anfangs aufrecht stehen und sich erst später senken, auch öfters längere Stiele haben;

theils durch Insekten, Hagel etc., welche die jüngeren oder älteren Früchte beschädigen, Höhlungen, Gruben etc., ja selbst Zusammenziehungen der ganzen Frucht oder Aufschwellungen, Verhärtungen, Beulen etc., und also Mißgestaltungen veranlassen;[1]

theils durch Klima oder Witterung, welche der Frucht ungünstig waren, wodurch Höcker, harte Stellen, Risse etc. und andere Verkrüppelungen hervorgebracht werden, was jedoch, wenigstens bei manchen Sorten, in gleichem Maße auch eine Folge der ungünstigen Beschaffenheit des Bodens


  1. Ganz besondere Aufmerksamkeit erfordert bei dem Aufschneiden der Früchte die Stelle am Kelche. Findet man hier Beschädigungen durch Insekten etc., was sehr häufig von Außen nicht zu erkennen ist, so ist die Frucht nicht als vollkommen anzuerkennen.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_288.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)