Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 291.jpg

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an: „daß nur die Beschreibung der regelmäßigen Form“ stattfinden könne, hat aber doch die unvollkommenen Früchte nirgends gehörig ausgesondert. – So schreibt auch Schmidberger in seinen Beiträgen, Heft III, S. 73 „der Kronprinz Ferdinand und der Colmar“ ein beuliges, oft unförmliches Aussehen zu, und klagt über die Veränderlichkeit der Form. Poiteau in den Annales de la société d’horticulture à Paris, Dec. 1834, bildet vier verschiedene Formen der Napoleons-Butterbirne ab, und ist ungewiß, welche die wahre Form sey. Auf den ersten Blick ergibt sich, unter Festhaltung des obigen Grundsatzes, daß drei der abgebildeten Formen unvollkommene Früchte (Krüppel) sind. Die wahre Form der Napoleon ist gar nicht schwer zu bestimmen. – Ebenso findet man selbst in den kostbarsten pomologischen Kupferwerken nicht selten unregelmäßige, im obigen Sinne unvollkommene Früchte, mit zufälligen Eigenheiten, Mißbildungen, Monstrositäten etc. abgebildet, und es ist daher kein Wunder, wenn solche Abbildungen nicht geeignet sind, über die wahre Form der Früchte zu belehren. So hat, – der älteren Werke gar nicht zu gedenken, Mayer in seiner Pomona franconica Thl. III, fast lauter Ungeheuer abgebildet und Sickler’s teutscher Obstgärtner und das teutsche Gartenmagazin wimmelt von Abbildungen von Krüppeln, die in Jaume St. Hilaire flore et pomone française auch nicht fehlen. Ja selbst die großen Werke von Poiteau und Turpin, sowie von Aehrenthal, in Deutschlands Kernobstsorten, stellen nicht selten unvollkommene, unregelmäßige, mit Zufälligkeiten behaftete Früchte dar. (Vgl. im letzteren Werke z. B. die Forellenbirn VI, 3, die Englische große Winter Reinette XIV, 4, den Brühler Kurzstiel XXIII, 2, die Herbstsylvester LV, 2, die Birne Erzherzog Franz Karl, LXX, 1 etc.). – Auch Dittrich’s Nachbildungen der Kernobstsorten in Papiermasse vernachlässigen diesen Grundsatz. Weniger trifft man diesen Fehler bei Duhamel, in der Pomona italiana di Gallesio, und im Pomological Magazine. Ich bezweifle dabei gar nicht, daß alle diese Abbildungen nach der Natur, d. h. nach einem vorliegenden Exemplar, gemacht worden sind, allein dieses Exemplar war nur nach dem oben aufgestellten Begriffe keine vollkommene Frucht und kann daher auch nicht die Normalform der Sorte darstellen. Man wird, wenn man auf diese Weise Früchte und Abbildungen prüft, finden, daß die angeblich verschiedenen Formen meistens nur von Verkrüppelungen, Monstrositäten etc. herrühren und daß bei den Kernobstsorten so gut wie bei den Menschen- und Thier-Raçen und Varietäten (bei welchen es auch an Verkrüppelungen, Monstrositäten und Abnormitäten nicht fehlt) sich eine Normalform bestimmen lasse, wenn gleich dieselbe nicht sofort bei jeder Frucht in die Augen springt, und dabei gewisse auf Beobachtung der Natur gegründete Verhältnisse stets berücksichtigt werden müssen, von welchen sogleich die Rede seyn soll.

Ich mache zuvor nur noch darauf aufmerksam, daß man aber auch bei Beachtung des Grundsatzes: „daß die Form der vollkommenen Frucht stets in dem oben angedeuteten Sinne regelmäßig ausgebildet seyn müsse, und bei Anwendung desselben auf die Bestimmung der Normalform einer Sorte nicht pedantisch verfahren und kleine Unregelmäßigkeiten, die, wie in der Natur der Sache liegt, fast an jeder Frucht vorkommen werden, da die Natur eine mathematische Gleichheit nirgends beobachtet, übersehen, oder vielmehr in Gedanken

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_291.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)