Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 292.jpg

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verbessern müsse. Ist doch auch kein Blatt eines Gewächses dem andern völlig gleich, und demungeachtet hat man die Blattform eines jeden Gewächses bestimmt, denn der Hauptumriß des Blattes, die wesentlichen Theile desselben, werden unter gleichen Vegetationsverhältnissen immer dieselben bleiben, wenn auch in den unwesentlichen Abweichungen stattfinden.[1] Es wird nur stets das Wesentliche von dem Unwesentlichen, das Beständige von dem Veränderlichen zu unterscheiden seyn, worauf im Folgenden stets Rücksicht genommen werden wird.

Da aber allerdings die Form der Früchte einer Kernobstsorte oder eines Baumes, – abgesehen von den oben bereits erwähnten Unregelmäßigkeiten durch äußere Einflüsse und Zufälligkeiten, – verschieden erscheint, so muß man, um die Normalform einer Kernobstsorte zu bestimmen, – die sich, wenn sie einmal festgestellt worden, dann immer erkennen lassen wird, – sich der oben am Eingange sub. 1–6 aufgestellten Regeln erinnern, welche wir in Beziehung auf die Form der Frucht weiter ausführen und anwenden wollen.

1) Die Früchte, nach welchen die Normalform bestimmt werden soll, müssen von einem gesunden, kräftigen, also auch nicht altersschwachen, aber ebenso wenig in übermäßigem Trieb[2] stehenden Baum genommen werden. Der Baum darf auch weder mit Früchten überladen seyn, noch dürfen die Früchte gar zu einzeln hängen. Alles dieses hat unverkennbar Einfluß auf die Form der Früchte. Nur ein gesunder Baum kann vollkommene Früchte tragen, ein kranker, schwächlicher, erzeugt auch nur kranke und verkümmerte Früchte, die häufig durch Risse, Beulen etc. entstellt seyn werden.[3] – Früchte, welche an Bäumen erwachsen sind, welche außerordentlich stark treiben, oder sehr einzeln hängende Früchte weichen nicht nur in der Größe, sondern auch in der Form von der eigentlichen Gestalt der Sorte ab, und wenn auch aus denselben die Normalform (wenn solche einmal festgestellt ist) immer noch errathen werden kann, so können sie doch zu Bestimmung der Normalform nicht dienen. Dergleichen Früchte haben in der Regel eine längere Gestalt, und sind mehr kantig, ja selbst rippig, als Früchte weniger stark treibender, mehrtragender Bäume, welche niedriger und abgerundeter erscheinen.[4] Ist der Baum mit Früchten überladen, so entstehen häufig Krüppel oder Schwächlinge.

2) Steht der Baum in einem der Sorte unangemessenen Boden, oder ist die Frucht einem ihr nicht zusagenden Klima oder ungünstiger Witterung ausgesetzt gewesen, so wird dieß auch auf die Form


  1. Vollkommene Identitäten gibt es in der Pflanzenwelt nur da, wo vollkommene Identität der Vegetationsverhältnisse stattfindet. Vgl. Perty allgemeine Naturgeschichte II, 142, 162.
  2. Diel, H. XXIII, S. 203. „Wenn birn- oder noch mehr kegelförmige Früchte auf frechem Wildling oder auch Zwerg erzogen werden, so gewinnt die Form bei manchen oft ein nicht beständiges Ansehen, das in der Folge in das gewöhnliche, selbstständige zurückkehrt, und deßhalb muß man bei Beurtheilung dieser Art Früchte stets den Wuchs des Baumes und die Menge der Früchte zu Rathe ziehen, um nicht getäuscht zu werden und die Ausnahmen für die Regel zu halten, welches bis jetzt bei obiger Frucht (der grünen Flaschenbirn) der Fall ist.“
  3. Demungeachtet bildet Poiteau in seinem traité des arbres fruitiers die Herbstambrette ab, gesteht aber selbst, daß solche von einem kranken Baum genommen sey.
  4. Vgl. Diel, H. V. S. 23. Oberdieck, Sortenbäume, S. 11, 47.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_292.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)