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der Frucht durch Verkrüppelungen, Beulen, harte Stellen etc. Einfluß zeigen. – Jede Unregelmäßigkeit der Frucht ist verdächtig und kann nur dann erst als normal angenommen werden, wenn sich durch vieljährig wiederholte Beobachtungen ergeben sollte, daß sie nicht durch äußere Einflüsse erzeugt wird, sondern wirklich der Frucht eigenthümlich ist. – Ein großer Theil der Unregelmäßigkeiten, welche man an verschiedenen Kernobstsorten bemerkt, und welcher fast constant erscheint, rührt, wie bereits oben angedeutet worden, davon her, daß diese Sorten (was besonders bei den Birnen bemerklich wird), wenn sie auch gleich bei uns die gehörige Reife erlangen, doch für unser Klima und den Boden sehr empfindlich sind. Dieß ist schon bei der Sommer-Zuckerradenbirne (Sommer Apothekerbirn), bei der Hermannsbirn, bei der weißen und grauen Butterbirn etc. der Fall, noch mehr bei der Winter Gute Christenbirn (Bon Chrétien d’hiver), bei der Kronprinz Ferdinand, bei der Cheminette etc., deren Höcker, Beulen, harte Stellen, Risse etc. deutlich zeigen, daß sie für unser Klima nicht ganz geeignet sind, und sehr ausgewählten Boden haben wollen. Deßhalb findet man auch dergleichen Unregelmäßigkeiten am häufigsten an späten Herbst- und Winterbirnen, sowie an solchen Winteräpfeln, die zu Erlangung ihrer Vollkommenheit ein sehr langes Hängen am Baume verlangen. Um so vorsichtiger muß man also bei solchen Sorten mit der Bestimmung der Normalform seyn. – Bei strenger Beobachtung dieser Regel werden mehrere jetzt als besondere Sorten angesehene Früchte wegfallen. So hat sich z. B. nach mehrjährigen Beobachtungen ergeben, daß Duhamel’s blanquet rond nichts als eine unregelmäßige Form der Gros blanquet ist. Vergleiche Noisette jardin fruitier II, S. 104.

3) Wird der Baum (oder die Frucht, welche auf demselben erzogen wird) außerordentlich gepflegt, z. B. am Spalier erzogen, gedüngt, ausgebrochen etc., so hat dieß auf die Form der Frucht denselben Einfluß, wie wenn derselbe in übermäßigem Trieb steht, sowie Früchte an Bäumen, welche in der Pflege verwahrlost worden sind, den verkümmerten Früchten der auf schlechtem Boden stehenden etc. gleichkommen werden. Vgl. auch Schmidberger a. a. O. III, 188, über die Abänderung der Früchte in Form und Geschmack durch das Ringeln.

4) Die Veredlung des Kernobstes auf Quitte, Johannisstamm, Weißdorn etc. ist auch auf die Form der Früchte (zumal der Birnen) von mehr oder weniger Einfluß, und schon deßhalb können Früchte von einem Zwerg- oder kunstmäßig gezogenen Spalierbaum, noch weniger aber von einem Topfbäumchen zu Bestimmung der Normalform sich eignen,[1] sondern nur Früchte, welche von einer auf Wildling stehenden Pyramide oder einem solchen Hochstamm genommen werden. Diel erkennt H. I, S. 22 hinsichtlich der Größe der Früchte an, daß man die Normalfrüchte nur von einem gesunden, kräftigen Hochstamm wählen dürfe, der Form gedenkt er aber hierbei nicht. Doch sagt er H. XXII, S. 187: „Am mehrsten muß man sich hüten, Familienähnlichkeiten


  1. Vgl. Christ Pomologie I, S. 21. Schmidberger Beiträge III, 176 über die Behandlung der Topfbäume. – Man hat zwar gemeint, daß durch Hülfe der Topfbäumchen (oder der Obstorangerie) die Kenntniß der Obstsorten sehr erleichtert werde (Dittrich I, 79. Christ Handbuch, S. 278). Ich bezweifle aber sehr, daß dieß der Fall gewesen und bei der Verschiedenheit der Einwirkungen der Fall seyn kann.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_293.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)