Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 302.jpg

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wohl von der Brauchbarkeit der Form zur Klassifikation der Kernobstfrüchte sowohl, als davon, daß die Form immer ein Hauptunterscheidungszeichen der Sorten seyn müsse, überzeugen, und den Vorwurf, daß die Form zu unbestimmt und veränderlich sey, fallen lassen werden.

Es wird mir hier vielleicht noch eingewendet werden, daß die Form der Frucht zu wenig mit dem Wesen derselben und des Baumes in Verbindung stehe und daher die Benutzung derselben zur Haupteintheilung der Früchte nicht angemessen sey. Wenn ich nun auch zugeben muß, daß ein Zusammenhang der Form der Kernobstfrüchte mit ihrer Beschaffenheit und den Verhältnissen der Substanzen, welche sie bilden, noch nicht nachgewiesen ist (was aber bei andern Eigenschaften der Früchte: Farbe, Größe etc. ebenfalls, und bei der Pflanzenform überhaupt der Fall ist)[1], so wird man doch immer zugeben müssen, daß bei allen Schöpfungen der Natur die Form immer etwas sehr Wesentliches ist, warum sollte sie es nicht auch bei der Frucht seyn; ja man wird bemerken, daß eine Veränderung der Form auch eine Veränderung des Verhältnisses der Bestandtheile erwarten läßt. Auch wird sich dieß später bei Zusammenstellung der Kernobstsorten, ihrer Form nach, mit Mehrerem ergeben. Ueberdieß möchte ich mir noch eine Bemerkung erlauben, wonach doch wohl die Form der Kernobstfrucht, und namentlich die damit sehr im Zusammenhang stehende Gestalt, welche das Kernhaus (die Kapsel mit der ersten Fleischhülle bis an die sie umgebenden Hauptgefäßbündel) bildet, doch in einem gewissen, nicht undeutlichen Zusammenhang mit der Form des Baumes zu stehen scheint. – Ich will nur Einiges andeuten. Die Form der Aepfel ist eine mehr oder weniger gedrückte, oder etwas verlängerte Kugel; die Hauptform der Birnen die eines oben und unten abgerundeten, mehr oder weniger langen Kegels. Beiderlei Formen sind auch im Allgemeinen die Formen der Kronen des Apfel- und Birnbaumes. Nun gibt es allerdings Birnen, welche ganz die obengenannte Apfelform haben, wie z. B. die wahren Bergamotten etc.; die Bäume haben aber auch dieselbe Form. So sind bei den Aepfeln die eigentlichen Pepings (der Goldpeping, Orangepeping, Hughes Peping, die Fencheläpfel etc.) kleine kugelförmige Früchte, während auch ihre Bäume dergleichen Kronen bilden etc.[2]

Schon früher wollten Pomologen, besonders Manger, Sickler, Christ etc. die Form der Kernobstfrüchte zur Classifikation derselben benutzen und sind meiner Ansicht nach auf sehr gutem Wege gewesen, besonders Manger. Nur sind seine Formen zu gekünstelt, zu wenig mit Rücksicht auf die Natur gebildet, und da er nicht Durchschnitte der Früchte zum Anhalten nahm, die meisten Früchte wohl nicht selbst sah, nicht die Normalform bestimmte, sondern nur nach den Beschreibungen classifizirte, so sind die Sorten durchaus nicht consequent eingereiht. Neuere Pomologen, und besonders


  1. Die organische Form hängt überhaupt, so viel bekannt, viel weniger von der chemischen Beschaffenheit der Substanzen ab, die sie bilden, als die unorganische Form. – Zu einem interessanten Gesetz haben die bisherigen Forschungen schon geführt, daß nämlich Pflanzen, welche in ihren äußeren Formen sehr nahe verwandt sind, auch in ihren gleichnamigen Organen gleiche oder doch nahe verwandte Stoffe enthalten. Schleiden, die Pflanze und ihr Leben, 1848. S. 48.
  2. Vgl. Petzold in Otto’s allgemeiner Gartenzeitung, 1847, Nr. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)