Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 303.jpg

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Diel, haben zwar behauptet[1], daß die Form zur Classifikation unpassend sey. Allein theils sind Diel’s Aeußerungen (besonders Heft V, S. 22) mehr gegen Manger’s kleinliche Unterschiede der Formen gerichtet; theils dürfte das von ihnen gegen die Anwendung der Form Bemerkte bereits durch die von mir vorstehend aufgestellten Grundsätze und Forderungen beseitigt werden, theils dürfte das Folgende und namentlich die aufzustellende Formentafel zeigen, daß innerhalb gewisser Grenzen die Form des Kernobstes zur Begründung der Classifikation, sowohl der Aepfel, als der Birnen, recht wohl anwendbar, als auch zu Unterscheidung der Sorten von hauptsächlichem Werthe sey. Selbst Diel’s Aeußerung a. a. O. H. I, S. 33: „Nach den Formen das Obst zu ordnen, war zu einfach, die Menge mußte zu Bergen werden, und in der Natur zusammengehörige Verwandte trennen sich oft ganz widernatürlich,“ wird man nicht nur nicht bestätigt finden, sondern bald bemerken, daß durch eine solche Zusammenstellung der Obstsorten die Zahl derselben sich gar sehr vermindert, weil das Gleichartige weit leichter erkannt wird, als bei der seitherigen Verfahrungsweise. – Setzt man freilich die Verwandtschaft der Obstsorten in die Beschaffenheit des Fleisches oder der Vegetation, so können allerdings in dieser Hinsicht verwandte Sorten bei einer Classifikation nach der Form getrennt werden.


  1. Diel verwirft die Form sehr rasch, gibt sich aber auch keine Mühe, dieselbe festzustellen. – Wenn derselbe H. I, S. 15 seines Versuchs einer systematischen Beschreibung der Kernobstfrüchte sagt: „daß bei der zu großen Aehnlichkeit der nur anschaulich verschiedenen Individuen auf der einen Seite und der Verschiedenheit und Abweichung in der Form der nämlichen Gattung (wohl Sorte) auf der andern Seite, bei den nicht zu bemerkenden Uebergängen einer Familie in die andere, der zu großen Allgemeinheit der Kennzeichen etc. es zu schwer sey, oft auch nur den äußerlichen Umriß der Form fest zu bestimmen,“ und wenn er Heft V, S. 22 sich äußert: „Unter allen Systemen bleibt aber, wenn ich offenherzig mein Urtheil gestehen soll, dasjenige nach der Form das Ungewisseste etc. Es gehört schon eine große (?) Einbildungskraft dazu, sich die reelle Verschiedenheit zwischen apfelförmigen und plattgedrückten, zwischen conischen perl- und reinbirnförmigen Birnen, vorzustellen, zumal das kleinste (?) Mißverhältniß in den Durchmessern die Form so auffallend verändert, und außerdem so viele Birnen gerne zweierlei Formen annehmen;“ wobei er jedoch S. 23 hinzufügt: „Bei weitem nicht so veränderlich, sondern viel bestimmter sind die Durchmesser der Höhe und Breite, denn diese Differenzen sind nie über einen Viertelszoll verschieden, so lange die Frucht noch ihre natürliche Form behält, und es bedarf dabei keiner Einbildungskraft, keines beschreibenden Namens, sondern nur des Zirkels etc.; wenn auch Schmidberger Thl. III, S. 48 seiner sehr schätzbaren Beiträge zur Obstbaumzucht bemerkt: „daß eine zu große Verschiedenheit der Form und Farbe bei vielen Aepfelsorten stattfinde, als daß man dieselben bei Aufstellung eines Systems anders als nur als Nebensache in Betracht ziehen könne, und deßhalb hauptsächlich auf das Fleisch und die ganze Gestaltung des Baumes Rücksicht nehmen sollte;“ so dürfte darauf, abgesehen davon, daß sich diese Bemerkungen schon zum Theil aus sich selbst widerlegen, und durch die oben aufgestellten Grundsätze erledigen, speziell zu erwidern seyn: daß eben der Anschaulichkeit der Form jeder Sorte wegen die Darstellung des Umrisses der Normalform jeder Sorte verlangt wird; daß ja die Verschiedenheiten des Fleisches, des Geschmackes, der Vegetation etc. auch völlig in einander übergehen, und in der Natur überhaupt scharfe Trennungen ohne Uebergänge fast gar nicht (am wenigsten bei bloßen Varietäten) stattfinden; dagegen gerade die für die Classen des Diel’schen Systems aufgestellten Kennzeichen an zu großer Allgemeinheit und Unbestimmtheit leiden, und keineswegs eine große Einbildungskraft dazu gehört, sich die wesentlich verschiedenen Formen des Kernobstes vorzustellen.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_303.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)