Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 332.jpg

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starken Trieb hat, jenes nicht leicht ein solches Uebergewicht erlangen wird, daß der veredelte Zweig das stark treibende Edelreis zu tragen nicht mehr im Stande ist, und dieser sich dann entweder zur Erde neigt, oder bei einer heftigen Erschütterung sich ganz von der Unterlage lostrennt. Zu welcher Veredlungsart man sich aber entschließe, so wähle man zum Verband kein anderes Material, als dünne Leinwand oder Baumwollenzeug, welche man mit einer Mischung im Verhältnisse von 24 Loth gelbem Harze und 6 Lothen Talg (gelinde über Feuer zerlassen, aber ja nicht zur Siedehitze gebracht, weil sonst die aufgestrichene Masse leicht durchschlägt, und an ihrer Klebrigkeit verliert), dünne mittelst eines Messers oder Pflasterstreichers überzieht. Man kann hiezu am besten alte benützte Leinwand oder Baumwollenzeuge gebrauchen, nur sehe man darauf, daß sie dunkel gefärbt seyen, weil solche Stoffe die Lichtstrahlen weniger durchlassen, als helle, und dadurch die Bildung des Cambiums befördert wird;[1] die überstrichenen Stoffe lassen sich leicht in beliebig breite Bänder mit der Hand reißen, und sie sind mit leichter Mühe und viel einfacher herzustellen, als jene Art von Bändern, welche Herr Superintendent Oberdieck in seinem Schriftchen über die Probebäume empfiehlt.[2] Weder Wolle noch Bast geben einen so gut anliegenden Verband, wodurch Luft und Wasser so sicher von der Veredlungsstelle abgehalten werden, als der hier empfohlene; auch hat man nicht zu fürchten, daß solche Bänder, zumal von altem Baumwollenstoffe, einschneiden, wenn die Zweige einmal anschwellen; sie lösen sich nach und nach von selbst ab und bedürfen nur selten einer weiteren Nachhülfe, als daß man auf der Seite einen Einschnitt anbringt.

Die Nummerhölzer oder Etiquetten erhalten bei mir, außer der Nummer, immer auch den Namen und die Quelle des Bezugs, und zwar auf beiden Seiten. Ich lasse die Etiquetten aus trockenem Fichtenholze 2‴ stark, 1″ breit und 5″ lang fertigen, und streiche sie mit einer Oelfarbe von Kremserweiß und 1/12 Schweinfurter Grün an, bediene mich aber nicht des Baumöls, sondern nehme Mohnöl und bringe keine Silberglätte dazu. Diese Farbe blättert sich nie ab, wie es oft bei Bleiweiß geschieht, und es wird auch das Vergelben ganz verhütet.

Das Aufschreiben des Namens etc. geschieht in frisch angestrichenem Zustande, nach dem zweiten Auftragen der Farbe, mit einem möglichst weichen und schwarzen Bleistifte und stark aufgetragen, und wenn das Ganze trocken ist, bringe ich noch über das Geschriebene einen Firniß von Damarrharz und Terpentinöl mit einem einzigen Pinselstrich. Hiedurch erhalten die Nummerhölzer Dauerhaftigkeit und Lesbarkeit auf viele Jahre. In die Etiquetten schneide ich zum Befestigen des

Drahtes keine Kerben


  1. Diese Erfahrung Hörlin’s ist mir seither unbekannt gewesen; ich habe zum Befestigen der Reiser mit gutem Erfolge seither meistens guten Lindenbast genommen, und die ganze Veredlungsstelle mit flüssig gemachtem Harz überstrichen.
    Ls.
  2. Oberdieck hat in neuester Zeit auch dieser Art von Bändern, wie ich sie seit 12 Jahren erprobte, das Wort geredet.
    Der Verf.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_332.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)