Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 351.jpg

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zu errichten, wie solche in Belgien schon lange floriren und die besten Geschäfte machen. Kostenberechnung, Ertrag etc. findet man in dem gedachten Aufsatze.

l) Literarisches.

Die Redaction der Frauendorfer Blätter empfiehlt die 2te Ausgabe des Obstcabinets, Jena bei Friedrich Mauke 1854, wovon 7 Lieferungen erschienen seyen; Wir werden später, nach Vollendung der Apfellieferungen, darauf zurückkommen.

Das Buch: die Kernobstsorten Württembergs, von Eduard Lucas, Garteninspector etc. Stuttgart bei F. Köhler 1854, wird von Dr. Liegel empfohlen. Die Beschreibung von 315 Apfel- und 265 Birnensorten, ihre Charakteristik, Aufführung der zahlreichen Synonyme, Würdigung ihres Werthes etc. macht dieses Buch für den württembergischen Obstfreund fast unentbehrlich und wird als der Anfang zu einer Sammlung aller deutschen Obstsorten in der gegenwärtigen Krisis von allen Pomologen mit Freude begrüßt werden. Es sind in diesem Büchlein ganze Schätze von Erfahrungen niedergelegt, welche nur einem Mann zu Gebot stehen, welcher durch seine begünstigte Stellung einen Einblick in die Schätze württembergischen Obstes thun konnte, wie kein anderer, und durch seine klare Darstellung seine Schrift auch dem nichtwissenschaftlich und technisch gebildeten Publikum zugänglich und nutzbringend macht. Wie wir hören, wird das Schriftchen bald einer 2ten Auflage sich zu erfreuen haben.

m) Die Weinrebe, ihre Cultur etc.

Von einem Tausendkünstler, einem alten Gärtner, wird berichtet, er gewinne dem Weinstock dadurch viele und schöne Trauben ab, daß er die Tragreben schon im Herbste mit einem Zapfen auf Ein Auge anschneide, um welchen er im Frühjahr einen Draht lege, den er mit einer Zange fest anzieht. Bei solchen Reben, von welchen er besonders große Trauben erziehen will, nimmt er die Operation mit dem Drahte gleich im Frühjahre vor; bei den andern, wenn sich die Traubenbeeren zur Größe von Erbsen entwickelt haben. Nach der Blüthe bricht er die Spitzen der Triebe einige Blätter über dem Schein ab und schneidet mit einem Federmesser alle Augen aus, daß kein Geiz mehr wachsen kann. Die schon ausgebildeten Geizen bricht er nicht aus, sondern kneipt sie ein, wie sie 3–4 Blätter gebildet haben. Die Beireben (Tragreben des künftigen Jahres) soll man nicht erst im Monat August einkürzen, sondern früher, sobald sie die gehörige Länge für’s Fruchttragen auf’s künftige Jahr erlangt haben; treibt dann das oberste Auge noch einen Geiz aus, so wird dieser ausgebrochen. Dieses Verfahren ist rationeller, als wenn derselbe Gärtner, um fruchtbare Obstbäume zu erlangen, den Rath gibt, man solle einen alten silbernen Sechser in den Baum einschlagen und die offene Stelle mit Lehm bedecken.

Ein Anderer empfiehlt bei Weinreben von üppigem, geilem Wuchse, mit dem Beschneiden nicht zu eilen, sondern zu warten, bis der Saft die obersten Augen zum Schwellen gebracht hat; sodann soll man mit dem Düngen aufhören und sehr lange Tragruthen anschneiden; worauf sich die Fruchtbarkeit einstellen werde.

Das Thränen des Weinstocks soll an den frischen Wunden verhütet werden, wenn man an die oberen wunden Theile des Schnittlings eine ganze, unversehrte Kartoffel stecke.

Nach der Erfahrung eines rheinischen Weingärtners sollen Rißlinge und Gutedel nur im Sandboden, die Muscateller Varietäten nur im Lehmboden, die große Rosinentraube nur in einem nahrhaften Boden gut gedeihen. Er empfiehlt nur auf wenige Augen zu schneiden.

Das Pfropfen der Reben auf zwei- oder mehrjähriges Holz in den Spalt soll große Vortheile gewähren, wenn man auf folgende Art verfährt. Die Reben zum Pfropfen müssen frühe – Februar bis März geschnitten werden und man läßt ein Stück vom alten Holze daran. Ausgangs April, wenn die Augen erbsengroß sind, wird dann die Operation vorgenommen. Die Pfropfreben, welche 1½′ lang seyn müssen, hat man einige Zoll über der Erde in den Spalt zu bringen und mit Wollengarn zu umwickeln. Dann wird der ganze Stock umgegraben und die gepfropfte Rebe sorgsam niedergesenkt und mit Erde bedeckt, wobei man Sorge tragen muß, daß das Edelreis nicht von seiner Stelle gerückt werde. (Eben deßhalb ist das Eintreten der Rebe mit den Füßen nicht zu billigen, wie der Verfasser des fraglichen Aufsatzes in den Frauendorfer Blättern anräth). Das Edelreis kann man schon in der Grube vor der Bedeckung mit Erde an die Stelle hinbringen, wo man die Rebe künftig haben will, oder noch besser, an der Stelle, wo die Rebe früher stand, in schiefer Lage an einen Pfahl befestigen, nachdem man es auf die gehörige Länge zurückgeschnitten hat. Zugleich wird auf einige Sorten aufmerksam gemacht, welche zu Spalieren in rauhe Gegenden sich empfehlen, als den Weißen und Rothen Gutedel, den Blauen Malvasier, den Blauen Frühburgunder, die Bianka Capella, den Diamant mit runden Beeren, Oportotraube, Dulceda di Po und Isabella. Endlich

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_351.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)