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II. Praktischer Obstbau und Obstbenutzung.
Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen, oder muß die Anzucht veredelter Obstbäume, als allgemeine Regel, stets beibehalten werden?
Vom Superintendent Oberdieck.
(Schluß.)

Das der Satz, daß aus den Kernen edler Obstsorten meistens schlechtere Früchte entständen, als die Muttersorte, von manchen Pomologen geleugnet worden sey, ist eben erwähnt worden, und haben wir ausführlicher dargelegt, wie namentlich Knight und noch mehr Hr. v. Mons der Ansicht waren, daß es gelingen müsse und werde, durch Erzielung mehrerer auf einander folgender Generationen von einer Frucht, es dahin zu bringen, daß in 4ter, 5ter, höchstens 6ter Generation nur lauter sehr edle, werthvolle Früchte producirt würden. Er ist bis zu seinem Lebensende dieser Ansicht, wie sowohl aus einem Schreiben an mich, als aus dem vorhin gedachten an Millot gerichteten und aus andern Nachrichten hervorgeht, treu geblieben, und scheint sie dadurch verstärktes Gewicht zu erhalten. Fragen wir indeß die Erfahrung und die bis jetzt gewonnenen Resultate der Anzucht von Obstsämlingen, nachdem in Folge der gehegten Erwartungen wohl bereits weit über eine Million Sämlinge erzogen und diese Erziehung von mehreren Männern im Großen und theilweise selbst planmäßig betrieben ist, so läßt sich nicht verkennen, daß Erfahrung und gewonnene Resultate, so höchst Schätzbares diese auch im Einzelnen geliefert haben, doch zu den gehegten Erwartungen ein entscheidendes Nein! sprechen. Wir müssen die gewonnenen Erfahrungen etwas im Einzelnen, wenn auch nur kurz zu überblicken suchen.

Diel, der mit Fleiß und Mühe alles gesammelt und geprüft hat, was in neuerer Zeit von Kernobstsorten gewonnen worden ist, auch selbst viele Sämlinge erzog, erinnert in seinen Schriften oft, wie wenig man daraus rechnen könne, beständig gute und wahrhaft vorzügliche Früchte durch die Kernsaat zu gewinnen, und bemerkt z. B. bei dem Apfel Geiger’s Prinzessin Auguste (H. 26, S. 53): „Möchte man doch von jeder Aussaat nur einen Sämling von diesem Werthe erhalten!“ Ganz mit dieser Ansicht übereinstimmend, spricht sich der, vielleicht letzte, über diesen Punkt unter uns publicirte Aufsatz von einem Mitgliede der Altenburger pomologischen Gesellschaft (s. deren Annalen von 1854) aus, dessen Verfasser behauptet, Tausende aus edlen Kernen hervorgegangene Obstsämlinge zu kennen, aber mit wenigen Ausnahmen, wo auch besserer Boden und wärmere Lage zwischen Gebäuden oder gegen Mauern mitgewirkt hatten, kaum eine wirklich vorzügliche Frucht darunter bemerkt zu haben. Auch an absichtlichen Versuchen fehlte es nicht, die in dieser Hinsicht gemacht worden sind. Truchseß z. B. erzog, um zugleich einige Gewißheit über die Geschlechter des Kirschbaums zu erhalten (s. Einleitung zu seinem Kirschenwerke, S. 40), eine beträchtliche Anzahl Kirschbäume aus Kernen der edelsten Sorten, mit sorgfältiger Bezeichnung der Varietäten, wovon die Steine genommen waren, auch von vielen Sorten. Nachdem

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_359.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)