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des wackern Treviranus doch nicht ganz gläubig zu seyn), daß die Obstfrüchte weit weniger der Muttersorte nacharteten, und mehr ein Princip der Veränderung zeigten, wenn Kerne von veredelten Stämmen genommen seyen, auf die der Grundstamm ändernd influire, als wenn sie von Bäumen kämen, die wurzelächt erzogen waren. Andere, z. B. Medicinalrath Bode in Stuttgart, haben angerathen, man solle Reiser und Kerne von Obst nach Amerika senden, um sie in dem dortigen, überaus günstigen Klima und Boden eine höhere Stufe der Cultur erlangen zu lassen und veredelt von dort zurückzunehmen, und waren der Ansicht, daß unsere Obstfrüchte bei uns wohl weniger nacharteten, weil sie eigentlich einem wärmeren Klima angehörten. Und vielleicht könnte Herr van Mons etwas geringeren Erfolg gehabt haben, wenn er wirklich öfter seinen obgedachten Grundsatz befolgte, die Kerne nicht gerade von den gewonnenen edelsten Varietäten, sondern häufiger von mittelmäßig guten, wenn nur gleichfalls schon neu generirten Früchten zu nehmen, weil die Birne die raschen und auffallenden Uebergänge liebe, und die edelsten Früchte häufig nicht recht vollkommene Kerne hätten. Unsere berühmten deutschen Georginenzüchter, die mehr erzielt haben, als Hr. Vandonkelaar, befolgen, so viel ich weiß, das Princip nicht, den Samen von halbgefüllten, wenn sonst nur gesunden und gutgebauten Blumen zu nehmen, und auch Lindley in seinem gedachten Werke S. 205 sagt: jedem Floristen sey es bekannt, daß halbgefüllte Anemonen, Ranunkeln und ähnliche Blumen, selten gefüllte Sorten gäben, während der Same von den letzteren ebenso selten (?) halbgefüllte Spielarten hervorbringe. Und gewiß hatte Knight recht, wenn er (Lindley S. 377), um recht edlen Samen hervorzubringen, die Forderung machte, daß ein Obstbaum, von dem man Samen nehmen wolle, der recht werthvolle Früchte producire, wenigstens 2 Jahre in Erdreich von der besten Qualität müsse gewachsen seyn, daß während dieser Zeit man ihm nicht gestatten

dürfe, sich durch einen bedeutenden


    von nicht kastrirten Pflanzen derselben Varietät. Als ich aber ein paar Pflanzen hinter Fenster gestellt hatte, wo durch angebrachte Gazerahmen Luft genug gegeben wurde, aber verhindert wurde, daß die in den Levkojenblüthen immer herumkriechenden kleinen Nitidula-Käferchen zu diesen Pflanzen kommen konnten, erhielt ich nach langer Mühe endlich zwei Schoten, die reiften, und als ich sie neugierig öffnete, ohne alle Samenkörner waren. Auch das angerathene Ausnehmen der in der Blüthe stehenden Pflanzen mit unbeschädigter Wurzel und vorsichtigem Wiedereinsetzen, wobei namentlich die während des Anwachsens blühenden Schoten sehr reichlich doppelte Blumen geben, überhaupt aber die Zahl der doppelten Blumen so vermehrt werden sollte, daß fast keine einfachen mehr fielen, habe ich mit aller Vorsicht mit einem Dutzend Pflanzen und genauer Bezeichnung mittelst verschieden gefärbter Fäden, sowohl der Blumen, die vor dem Versetzen schon geblühet hatten, als der während des Anwachsens abblühenden, und der später erst aufblühenden, nachprobirt; die separat gesäeten, so erhaltenen Samen ergaben aber, daß alle Schoten, welche während der 8–10 Tage angesetzt hatten, wo die Pflanze sich gehörig wieder bewurzelte, sofort um etwa ¼ in der Zahl der fallenden gefüllten Blumen, gegen andere gute Blumen derselben Farbe, zurückgegangen waren, und die meisten doppelten die obersten Schoten gegeben hatten. Ich habe auch weit seltener wirklich guten Levkojensamen (bei Säen in Reihen von jeder Farbe) erhalten, nachdem die Gärtner diese Verfahrungsart allgemeiner angenommen hatten. Es kann dagegen wohl seyn, daß das Princip nicht unrichtig ist, die Pflanzen bis gegen die Blüthe etwas Mangel leiden zu lassen, ihnen dann aber durch Versetzen in fette Erde und erhöhete Wärme eine reiche, luxuriirende Wurzel zu verschaffen, die dann auch ein Luxuriiren in den Blüthen, sowie sie aufbrechen, erzeugen wird.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_364.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)