Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 367.jpg

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noch nicht dargethan ist, gelten lassen. Die Betrachtung aber können wir nicht von der Hand weisen, daß, wenn man bei den Sämlingen erst durch das Ringeln eine bessere Beschaffenheit der Früchte erzielen soll, dieses nicht zur Empfehlung der „Naturgemäßen Obstbaumzucht“ gereichen kann, sondern nur ein Vortheil des Ringelns ist, und man ja besser thun würde, veredelte Bäume mit der Kreisnarbe zu versehen, die eben um so mehr edles und großes Obst tragen würden. Ueberhaupt ist nach meinen Versuchen (die jedoch meistens an jungen Bäumen angestellt wurden, und in einem Boden, in dem die Aepfelbäume langsam wuchsen), von dem Ringeln nicht viel zu halten, das man auch im Allgemeinen wenig in Anwendung gebracht hat. Die geringelten Zweige werden zwar fruchtbar (was das Bogenen der Zweige aber auch bewirkt), aber sie bleiben im Wachsthum stehen, und ich mochte die Ringelschnitte noch so genau nach der gegebenen Anweisung machen, so erhielt ich meist kleinere und schlechtere Früchte, als der Baum sie überhaupt trug. Oft wollte auch die Wunde nicht schnell genug wieder überheilen, und die meisten geringelten Zweige brach der Wind später ab, so wie geringelte Kirschäste gern harzten. Die Operation ist sehr gewaltsam, und nur bei solchen Bäumen recht anwendbar, die gar zu lange mit Fruchtbringen zaudern, oder unfruchtbar sind, wo ich sie später noch so modificirt angewandt habe, daß ich in einen selbst bei stärkeren Aesten nicht zu breiten Ringelschnitt einen durch Wachs gezogenen Bindfaden ein paarmal herumlegte und die zuheilende Rinde über diesen weglaufen ließ.[1]

Doch wir haben noch den letzten für die Anzucht veredelter Stämme laut sprechenden

Grund zu erwägen, daß nur durch sie man


  1. Es ist auch immerhin die Frage, ob durch diese Operation mehr die in der Rinde absteigenden Edelsäfte emporgehalten werden, und, wie man gewollt hat, Saftfülle in dem geringelten Zweige entstehe, oder vielmehr durch sie nur der zu große Saftandrang zu einem Zweige verhindert wird, durch den sonst Holztrieb entstanden seyn würde. Beschränkung des Wurzelvermögens und Mäßigung des zu starken Saftzuflusses und zu raschen Umlaufs der Säfte, vielleicht auch noch eine, bei langsamer werdender Cirkulation herbeigeführte Verdickung der Edelsäfte, scheint Bedingung der Fruchtbildung zu seyn, nicht aber gerade Hemmung des herabsteigenden Edelsaftes durch eine Kreisnarbe oder die natürlichen Ringelwüchse. Setzt man Bäumchen in Töpfe, wo den Edelsaft auf seinem Wege zur Wurzel kein Hinderniß aufhält, so tragen sie auch bald; ebenso ist es bei Zweigen, die man niederbiegt, bei kranken, nicht triebigen oft mit wenig Blättern versehenen und also auch wenig Edelsaft producirenden Bäumen. Zudem wächst gleich unter dem Ringelschnitte gewöhnlich ein junger Zweig hervor, während die über demselben befindlichen Theile eines Astes stehen bleiben und Fruchtaugen machen, was einen Ueberfluß von Säften eher unter, als über dem Ringelschnitte anzudeuten scheint. Selbst die im Allgemeinen ganz richtige Ansicht, daß der Rohsaft im Holze des Baumes, namentlich dem Splinte emporsteige, und, in den Blättern umgewandelt, als Edelsaft in der Rinde, bis zur Wurzel wieder herabgehe, wird man wenigstens dahin modificiren müssen daß nöthigenfalls immer ein Theil des Gewächses den andern in seinen Funktionen vertreten und ablösen kann. Setzte ich durch Copulation Reiser auf die bloß wund gemachte, aber nicht bis auf’s Holz weggenommene Rinde stärkerer Zweige oder Wildlinge, so gingen sie sehr gerne an; machte ich aber den Schnitt so breit, daß das Edelreis überall nur auf dem bloßgelegten Holze des Wildlings lag, und überall von dessen Rinde etwas entfernt blieb, so trieben sie nicht einmal aus, da doch der Saft im Holze hinauf kommen konnte, und man hätte erwarten sollen, die Rinde des Reises werde einen Wulst bilden, um dadurch die Rinde des Wildlings zu erreichen. Zuweilen waren mir Reiser nur an einer Seite angewachsen, und nachdem die Bänder weggenommen waren, trennte sie ein Windstoß so
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_367.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)