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ist, und man auch bei Pfirsichen, die bei uns aus Kernen gezogen sind, in der Mehrzahl weinartigen Geschmack, der in Mißjahren leicht sehr säuerlich wird, nicht den süßen Geschmack älterer Sorten angegeben findet. Man kann mit Gewißheit nicht behaupten, ob es nicht noch sich ereignen könne, durch Kernsaat noch vorzüglichere Früchte zu erlangen, als wir bereits jetzt haben; wahrscheinlich ist das aber keinesweges und finden sich unter Aepfeln, Kirschen, Pflaumen, Pfirsichen, Aprikosen, und unter den Birnen wenigstens im Herbst und Vorwinter so viele ganz vorzügliche Früchte, daß es sehr schwer werden wird, Besseres als das bereits Vorhandene zu erzielen. Es ist daher im Allgemeinen selbst gar sehr zu wünschen, wenn der Obstbau recht emporkommen soll, daß die Sämlingszuchten fortan sehr beschränkt betrieben werden, und wenigstens keine gefallene auch gute Frucht weiter verbreitet wird, wenn sie nicht vor andern bekannten, zugleich reifenden Varietäten entschiedene Vorzüge hat. Gehen die Sämlingszuchten in dem Maaße fort, wie bisher, so ist es rein unmöglich, daß der Obstbau je rationell betrieben werde, es wird, je mehr Platz ein Obstbaum einnimmt, je länger er wächst und je schwieriger es ist, richtige und ausgebreitete Sortenkenntniß zu erlangen, dann mit den Obstfrüchten in sehr verstärktem Maaße gerade so gehen, wie es bisher mit Pelargonien, Georginen etc. gegangen ist, daß über dem jährlich auftauchenden und angepriesenen Neuen stets die älteren, wenn auch noch so trefflichen Varietäten untergehen, und der ganze Betrieb des Obstbaues in seinen Spitzen in die Hände weniger, vielleicht selbst nur gewinnsüchtiger Handelsgärtner geräth. Vor der Hand muß daher das Bestreben aller wahren Beförderer des Obstbaues mehr darauf hinausgehen, unter der großen Anzahl schon existirender, trefflicher und für jedes Bedürfniß genügender Obstfrüchte die besten und für jede Gegend paßlichsten herauszusuchen, ihre richtige Kenntniß immer weiter zu verbreiten und die schlechteren Varietäten allmählig zu entfernen, bis sie untergehen, nicht aber die Obstvarietäten in’s Unendliche zu vermehren und so die Verwirrung immer größer und allgemeiner zu machen. Wir mögen um so mehr auf eine rationelle Betreibung des Obstbaues und Erhebung der Obstkunde zu der Höhe, wo jetzt die Ackerwirthschaft steht, Bedacht nehmen, da es bereits jetzt auch in Deutschland, bei zunehmender Ausdehnung des Obstbaues, nicht mehr so leicht möglich ist, als früher, das, was man selbst nicht benutzen kann, frisch oder gedörrt in andere Gegenden zu exportiren. Um aber das Ziel eines rationellen Obstbaus zu erreichen, muß hauptsächlich auf vervollkommnete Anzucht und zweckmäßigere demnächstige Behandlung veredelter Stämme alle mögliche Sorgfalt verwandt werden.

Jeinsen, December 1854.

O.



Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen, nebst Excursionen in andere Gebiete der Pomologie, welche damit zusammenhängen.
Mitgetheilt von K. Hörlin, in Sindringen.
(Schluß.)

Es kann aber auch der andere Fall eintreten, daß Jemand Interesse findet an pomologischen Studien und hat vielleicht nur über einen kleinen Hausgarten zu gebieten, in welchem er nicht einmal ein paar

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_372.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)