Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 378.jpg

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der Früchte. Aber wie kommt es, daß wenn der Pyrus malus veredelt, ja doppelt veredelt wird, daß sich seine Früchte an Größe und Schönheit doch nicht mit jenen messen können, welche von einem veredelten Paradiesstamme gewonnen werden, wenn auch beide gleich gut gepflegt wurden? Ich glaube die Ursachen hierin in 2 Umständen suchen zu müssen. 1) Der veredelte Paradies- und Johannisstamm erträgt ein viel stärkeres Beschneiden der Holztriebe, als der Pyrus malus, was zur Folge hat, daß alle übrig gebliebenen Holzaugen sich zu Zweigen ausbilden, welche nun eine stärkere Circulation der Säfte verursachen. Ehe aber diese Augen zu Zweigen ausgebildet sind, und den vollen Saftzufluß aufnehmen und verarbeiten können, fließt der Ueberfluß des circulirenden Saftes in größerem Maaße jenen Holzaugen, welche weiter unten stehen, zu und führt diese, da schon eine Neigung zur Fruchtknospe in ihnen liegt, schneller der Ausbildung der letzten entgegen, die Fruchtknospen aber können sich um so vollkommener ausbilden und die Anlage einer um so größeren Frucht werden, je mehr der Paradies- und Johannisstamm, vor dem Pyrus malus in seinem Wurzelvermögen so organisirt ist, daß er verhältnißmäßig eine größere Masse von Nahrungssäften aufnehmen kann und das ist der zweite Grund, woraus die Wahrnehmung erklärt werden kann, daß die Früchte des Paradiesstammes vor andern an Größe und Schönheit sich auszeichnen. Wer nämlich die Wurzeln des Johannis- und Paradiesstammes genau beobachtet, der findet, daß hier ein außerordentlich reiches Vermögen von Haarwurzeln vorhanden ist, welche sich mehr an der Oberfläche des Bodens ausbreiten, wo derselbe am fruchtbarsten ist. Durch diese Lage sind auch die Einflüsse der Sonne, der Luft etc. auf die Wurzeln mächtiger, als bei dem Pyrus malus, der seine Wurzeln tiefer und sparsamer treibt. Die große Menge von Haarwurzeln führt aber die Nahrungssäfte einem in seinem Umfange nur kleinen Baume zu, während ein geringeres Maaß von Haarwurzeln die Nahrungssäfte für einen Pyrus malus von ungeheurem Umfang liefern muß; dabei darf nicht übersehen werden, daß solche Zwergbäume in der Regel in einem weit fruchtbarern Erdreich als Hochstämme stehen und auch weit mehr Pflege genießen. Dieselben Mittel zur Vermehrung der Fruchtbarkeit, welche schon oben bei Probebäumen empfohlen wurden, sind auch hier am Orte und ich bemerke nur noch, daß Johannis- und Paradiesstämme eine Doppeldüngung ertragen und namentlich fleißige Düngung dankbar vergelten. Asche und Malzkeime sind von vorzüglicher Wirkung, übrigens muß man sich in Acht nehmen, daß man beim Unterbringen des Düngers, die zu Tage liegenden Wurzeln nicht beschädigt und den Dünger nicht unmittelbar auf dieselben trägt. Salzdüngungen fand ich nicht ersprießlich; nimmt man wenig und gießt nicht flüßig bei trockenem Wetter, so bleibt der Erfolg fast ganz aus; größere Quantitäten aber wirken immer verderblich.

Für Birnen ist bei Sortenbäumen die Erziehung in Spalieren, Kunkeln, oder Pyramiden noch weit mehr geboten, als bei Aepfeln, da wohl alle Aepfel auch auf Hochstämmen reifen und schmackhaft werden, die Herbst- und Wintersorten der Birnen aber fast alle eine Spalierwand oder wenigstens einen regelmäßigen Schnitt und Beförderung der Reife verlangen. Wie bei den Apfelbäumen in Zwergform der Paradies- und Johannisstamm verwendet wird, so bediente man sich früher für Birnen fast ausschließlich des Birnquittenstrauchs zu Unterlagen, der sich ebenfalls

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_378.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)