Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 381.jpg

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zum Vorschein gekommen wären, so wird auf diese Weise die Quantität auf Kosten der Qualität gewonnen und das Facit ist 0. Jedermann weiß, daß durch das Ausbrechen der Früchte, die hängen bleibenden an Größe und Schönheit gewinnen, oder: je mehr Säfte sich in die Frucht ergießen, um so mehr vergrößert sich dieselbe; nehme ich aber dem Baum diejenigen Organe, durch welche die Frucht ihre Säfte empfängt, so muß ihre Entwicklung ganz in demselben Verhältnisse zurückbleiben, als das minus der Säfte-Zuströmung beträgt. Was ist es anders als eine Illusion, wenn man in vorigem Herbste eine Wurzel abgestoßen hat und nun in diesem Frühjahre über die Masse der Tragknospen staunt und den Erfolg einzig der ausgeführten Operation beimessen will; denn einmal bilden sich, zumal bei Birnen, aus Holzaugen nie in einem Jahre Tragknospen, wenn nicht schon Fruchtspieße vorhanden, oder eine besondere Disposition zu Fruchtaugen präformirt war, und weiter sind ja auch noch andere Faktoren denkbar, welche den Fruchtknospenansatz begünstigten. Was zu viel beweist, beweist Nichts; das gilt besonders denen, welche aus dem Wurzelabstoßen mit einem Sprung auf den Schluß kommen: daher die Fruchtbarkeit. Es war dieses Wurzelabstoßen schon im vorigen Jahrhundert bei den Franzosen üblich, und daß diese Meister in der Erziehung von Zwergbäumen diese Procedur wieder verlassen haben, sollte uns ein Wink seyn, mit um so größerer Vorsicht bei der Anwendung derselben und der Empfehlung an Andere zu verfahren, als seit neuerer Zeit uns keine zuverläßigen Erfahrungen zur Seite stehen – (die Versuche seit ein paar Jahren her dürfen sich noch nicht als Erfahrungen geltend machen wollen) – auf welche man sich mit Sicherheit berufen könnte,[1] und ein schnelles Zufahren auf fremde Autoritäten hin schon so oft mit bitterer Reue gebüßt werden mußte. Es ist eine nicht seltene Erscheinung, daß man Dinge anpreist und behauptet, zu welchen man sich hinreißen ließ, weil man nicht besonnen genug war, vorher zu prüfen, wie es sich mit der Unfehlbarkeit derselben verhalte; nachher ist man so naiv, lieber etwas beharrlich zu verfechten, was man in sein System und seine Praxis als vermeintlich gut aufgenommen hat, als daß man eingestehen möchte, man habe sich übereilt, oder auf fremde Autorität zu viel gebaut.

Bei Anfertigung der Sortenbäume für Steinobst ist dasselbe zu beobachten, was schon oben bei den Probebäumen davon gesagt wurde; nur bemerke ich noch, daß häufige flüssige Düngung während des Wachsthumes der Früchte, auf die Größe und Schönheit derselben von großem Einfluß ist und daß Steinobstbäume weniger empfindlich sind, wenn ihnen thierische Excremente in größerem Maaße und in frischem Zustande reichlich gespendet werden, als Kernobstbäume.

Zum Schluße empfehle ich auch noch einige Sortenbäume für den Blumengarten anzufertigen, um das Schöne mit dem Nützlichen zu paaren. In der That, weiß ich auch kein lieblicheres Bild in einem Garten als ein paar hübsch gezogene Pyramiden von Kirschen, Pflaumen und Aepfeln von den schönsten Früchten in den mannigfaltigsten Farben. Birnen entsprechen diesem

Zwecke weniger, doch lassen sich auch aus


  1. Vergl. Puvis, de la taille des arbres. Chap. X. [WS 1] und andere Schriften, sowie eine besondere Arbeit hierüber in der Thüringer Gartenzeitung von einem französischen Pomologen.
    Ls.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. A. Puvis: De la taille des arbres fruitiers, de leur mise a fruit et de la marche de la vegétation. Librairie agricole de la Maison rustique, Paris [1850] Gallica
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_381.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)