Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 390.jpg

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B. Notizen und Mittheilungen aus Zeitschriften etc.

Der Obstbau im Walde.

Es gab eine Zeit, wo der Wald eine große Menge von Stoffen zur unmittelbaren menschlichen Nahrung abgab, wo die Mast der Eichen und Buchen, die Bienenzucht und die Jagd den Hauptertrag der Forste bildeten. Seit nun aber ein intensiverer Betrieb der Land- und Forstwirthschaft die Jagd auf ein Minimum reduzirt hat, seit die Bienenzucht, die nur in lichtbestockten Waldungen gut gedeiht, durch die bessere Bewirthschaftung der Forste ebenfalls beinahe ganz verdrängt wurde, und seit der Kartoffelbau, wenigstens eine Zeit lang, die Schweinemast ausschließlich in die Hand des Landwirths gegeben hat, seitdem ist das Sprichwort, „wohlfeil Brod muß aus den Bäumen wachsen,“ in seiner alten Bedeutung nicht mehr zu erkennen, zumal da seit seiner Entstehung auch die Verhältnisse der Bevölkerung ganz andere geworden sind. Die Forstwissenschaft und Forstwirthschaft haben eine Zeit lang durch die Begünstigung der Jagd, später, und zum Theil jetzt noch, durch das einseitige Streben nach dem größten Holzertrag eine Richtung genommen, die allmählig jede andere Benützung des Waldes und Waldbodens, auch wenn sie noch so unschädlich geschehen konnte, zu beseitigen strebte. Es ist diese Einseitigkeit der Forstwirthschaft in vielen Gegenden und Ländern bereits verlassen; und es ist Zeit, daß auch bei uns in dieser Richtung etwas mehr als bisher geschieht. In Norddeutschland, in der Gegend von Magdeburg hat man z. B. schon vor längerer Zeit angefangen im Walde Obstbäume anzuziehen und die Waldbesitzer befinden sich dabei ganz gut. Es wird ein Beispiel angeführt, daß ein einziger Distrikt von 60 Morgen jährlich im Durchschnitt 5–600 Thaler für Obst ertrage. Dieß sind nun Ergebnisse, die sich im Durchschnitt auf größeren Flächen nicht realisiren lassen, und nur beim Mittelwaldbetriebe möglich sind. Rechnen wir aber im Durchschnitt auf 1 Morgen nur 10 Obstbäume und auf einen Baum durchschnittlich 12 kr. Reinertrag, so würde dieß die Rente aus einem Morgen Waldboden um 2 fl. erhöhen. Da man aber nicht annehmen kann, daß überall der Waldboden zum Obstbau tauge, so wird nur eine Vermehrung des Reinertrages um 1 fl. pr. Morgen in Aussicht zu stellen seyn, was übrigens beim Wald, der in den meisten Fällen blos 2 bis 6 fl. abwirft, eine sehr zu beachtende Vermehrung der Einkünfte bilden würde. Mit Ausnahme der Schwarzwaldforste finden sich im Lande etwa 437,000 Morgen Gemeinde- und Stiftungswaldungen, wovon wohl 200,000 Morgen je 10 Stück Obstbäume tragen könnten, somit nach Eintritt der Fruchtbarkeit eine Einnahmsvermehrung von 400,000 fl. jährlich erfolgen würde; was einem rentirenden Kapital von 10 Millionen Gulden entspräche. Von den Privatwaldungen ließe sich wenigstens die Hälfte des obigen Ertrags erwarten. Man wende nicht ein, daß das in so großer Menge erzeugte Obst nicht verwerthbar wäre; denn es ist noch ein großes Feld der Konsumtion dem Branntwein abzugewinnen; ein sehr bedeutender Theil der Bevölkerung kann sich die zum Lebensunterhalt nothwendige Menge von geistigem Getränk gar nicht verschaffen und

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_390.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)