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Schriften hinterlassen. Ausgestattet mit hoher Geisteskraft, von Kindheit auf der Obstbaumzucht sich widmend und belesen in Allem, was vor ihm über diesen Gegenstand gedruckt worden war, ganz besonders aber unaufhörlich mit dem Studium jener Phänomene beschäftigt, die sich dem Auge des Beobachters während der verschiedenen Phasen des Wachsthums der Fruchtbäume, ihrer Entwicklung und Fruchtbildung darbieten, hat er das Gebiet der Forschungen sehr weit ausgedehnt. Nach einer gewissen Anzahl Jahre, die er vergleichenden Erfahrungen widmete, stellte er das Princip auf, das ihm später bei Allem, was er that, als Grundlage diente. Dieses Princip findet man an mehreren Stellen der oben erwähnten Pomonomie angedeutet und entwickelt.

Nach diesem Princip strebt ein Typus oder eine Abart einer ursprünglichen Obstart dahin, in seiner durch Samen bewirkten Wiedererzeugung sich stets zu variiren. Säet man die Kerne der letzten Sprößlinge wiederum, so zeigt sich die Umwandlung als eine fortschreitende Verbesserung. Unter einem gewissen Klima, begünstigt durch Reichthum, Tiefe des Erdreichs und andern Bedingungen, vervollkommnen sich diese Varietäten hinsichtlich ihrer Kräftigkeit, Rusticität, Schönheit, der langen Dauer der Früchte und deren Vorzüglichkeit.

Diesem Princip folgend ist van Mons bis zur zehnten Regeneration gekommen und hat von seinen letzten Aussaaten an Gestalt sehr schöne, äußerst kräftige, fruchtbare und für äußere Einflüsse gewiß die unempfindlichsten Bäume gezogen, die heut zu Tage in den Pflanzungen Europa’s vorkommen.

Man versteht unter der Formenschönheit des Birnbaums einen geradeaufstrebenben und festen Stamm, schön aber mäßig abstehende Aeste und Zweige, kurz einen Baum von schönem Ansehen mit einem hübschen Laubwerk. Kräftigkeit des Wuchses ist die Folge der schönen Form. Diese Kräftigkeit zeigt sich nicht nur in den Normaljahren, sondern auch inmitten klimatischer Veränderungen während des Frühlings und Sommers in der gleichmäßigen Vegetation.

Die Rusticität besteht darin, daß die Varietät selbst in den strengsten Wintern nicht leidet und trotz rauher Witterung, die zuweilen im April, Mai und Juni eintritt, ihre Früchte ansetze und bewahre.

Den Freunden der Obstkultur muß daran liegen, diese Varietäten, die ihre Aufmerksamkeit zu fesseln verdienen, kennen zu lernen. In einem folgenden Artikel werden wir ihnen daher das Ergebniß unserer persönlichen Beobachtungen hinsichtlich einiger Produktionen unserer Vorgänger mittheilen. Nachdem wir seit 10, 15 und 20 Jahren inmitten unserer Fruchtbäume gelebt haben, darf es uns wohl erlaubt sein, eine Meinung über die wahre Vorzüglichkeit einer gewissen Zahl sehr speciell beobachteter Varietäten auszusprechen.

Brüssel, 25. Juni 1855.

J. de Jonghe.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_412.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)