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gewesen sein, sondern müssen auf dieser aufgelegen haben, stellen also die Einfassung der Siegelplatte dar, die in der Karolingerzeit zweifellos aus Gold bestand[1] und in der Ottonenzeit bei einem und demselben Stempel in verschiedener Weise erscheint, also offenbar während der Benutzungszeit der Platte zweimal erneuert wurde (vgl. S. 11). Es läßt das darauf schließen, daß auch diese Matrizen, wie die der Karolinger, aus Stein, vielleicht ebenso wie die Ludwigs II. aus Kristall bestanden und in Metall gefaßt waren, womit sich auch der Sprung der Platte Ludwigs des Deutschen (I, Taf. 2, 8) und Ottos I. (I, Taf. 7, 2) im Jahre 956 erklären läßt, der bei kristallener Matrize leichter als bei metallener vorkommen konnte.

Ebensowenig läßt sich feststellen, ob für die Nachbildungen antiker Vorlagen seit Ludwig dem Deutschen unter Karl dem Dicken, Arnulf, Zwentibold und Ludwig IV. ebenfalls Stein oder Metall verwendet wurden, in die man Bild und Umschrift einschnitt, da der erste Stempel Heinrichs I. (I, Taf. 6, 6) und auch noch der Königsstempel Ottos II. (I, Taf. 8, 2) wegen der zackigen Einfassung des Siegelbildes auf Steine schließen lassen. Dazu kommt, daß der erste Stempel Ottos I. in drei Fassungen überliefert ist, der erste und dritte (I, Taf. 7, 1. 2) in zackiger Fassung, der zweite in à jour-Fassung (IV, Taf. 73, 3). Vermutlich sind auch jene karolinger Stempel, sowie der zweite Stempel Heinrichs I. (I, Taf. 6, 7) à jour gefaßt worden, Metallstempel erst mit der Kaiserkrönung Ottos I. (I, Taf. 7, 3) fortan in Gebrauch gekommen.

Die Siegelstempel waren seitdem wohl aus Bronze oder Messing geschnitten[2] und sind mit Henkeln oder Ösen versehen, an denen sich, wie das zum Teil auf den uns erhaltenen Siegeln erkennbar ist, Ringe befanden[3], sei es zum Tragen um den Hals oder zum Anschließen, um Verschleppung, Entwendung oder Mißbrauch zu verhüten. Dafür spricht die Nachricht, daß einem abgesetzten Kanzler das Reichssiegel vom Halse gerissen worden sei[4], für die spätere Zeit bezeugt es die goldene Bulle Karls IV. vom Jahre 1356[5].

Neben dem Wachs ist schon in ältester Zeit vereinzelt auch Metall (Blei oder Gold) zum Siegeln benutzt worden.

Schon im Zeitalter der Antike war das Blei als Siegelstoff bekannt und in Übung. Kenntnis und Gebrauch der Metallsiegel sind in der byzantinischen Kanzlei so alt wie die Kanzlei selbst, d. h. sie gehen zurück auf die Begründung des oströmischen Reiches. Von Ostrom hat auch Karl der Große die Metallsiegel übernommen.

Die Verwendung von Blei wird vor allem auf die größere Haltbarkeit des Materials gegenüber Wachs zurückzuführen sein. So erforderte das südliche heißere Klima für wichtigere Beurkundungen einen festeren Siegelstoff. Damit erklärt sich auch das seltenere Vorkommen der Bleisiegel im Norden. Und als bei den Normannen die Metallsiegel durch die Wachssiegel verdrängt wurden, kamen die Holzkapseln zum Schutze der Siegel auf[6].

Nur die Goldbullen kehren im Norden mit einer gewissen Regelmäßigkeit wieder. Zu ihrer Verwendung achtete man auch weniger auf die Dauerhaftigkeit des Materials. Andere Beweggründe waren hierfür maßgebend[7].

Für die Herstellung der Blei- und Goldbullen wurden besondere Instrumente verwandt, die nicht dauernd, etwa in einer Presse oder Zange miteinander verbunden waren und gelegentlich auch zur Wachssiegelung benutzt wurden[8]. Wibald von Stablo spricht von ferramenta ad bullandum de auro, die Urkunden mit Goldbullen erwähnen oft das bulle auree typarium, mit dem man ihr Siegel geprägt habe, und Friedrich II. verlor vor Parma seinen Goldbullenstempel.

Jene ferramenta scheinen in gleicher Gestalt angefertigt gewesen zu sein, wie die vielleicht gefälschten, jedenfalls außerhalb der Kanzlei gebrauchten Prägstücke der Päpste Klemens III. und Innocenz IV., sowie die von J. Friedländer beschriebene antike Münzprägemaschine des Museums von Lyon. Sie besteht aus zwei Teilen, von denen der obere über den unteren gestülpt wird. Oben ist sie versehen mit einem starken,


  1. Brief an Ludwig den Frommen (Bouquet 6, 365, No. 6): precepta ex vestro nomine aureis sigillis signatur. – Sigilla aurea mirifica cum preciosis lapidibus Gesta abb. Fontan. Mon. Germ. 2, 295. Vgl. Geib a. O. 83.
  2. Ilgen a. O. 1. 4, 18.
  3. Besonders deutlich erkennbar bei Karl dem Dicken (I, Taf. 3, 7. 8), Arnulf (Taf. 4, 8), Ludwig IV (I, Taf. 5, 10).
  4. Ludwig, Erläut. d. güld. Bulle 2, 611: de collo subtraxerunt ei regalia sigilla.
  5. Vielfach nur überkommene Einrichtungen und Gebräuche betr. die Verwahrung der Reichssiegel gibt die goldene Bulle Tit. 26, Tit. 27, § 3. Aus diesen Stellen erhellt, daß nur während des Pompes der Erzkanzler als Zeichen seines Erzamtes das große Siegel an einer Kette oder einem Bande um den Hals trug, der Reichsvizekanzler (imperialis curie cancellarius) kraft seines Amtes der wirkliche Siegelbewahrer war. Wie Lehmann (Speier. Chronik 674) erzählt, hat bei den feierlichen Aufzügen während des Reichstages zu Metz (1356) jeder der drei Erzkanzler am Halse ein goldenes Insiegel und in der rechten Hand einen Brief gehabt. Noch bis zu der letzten Kaiserkrönung war es üblich, daß der Erzkanzler das große Siegel an einem violetten Bande umhängte und bei der Tafel auf der Brust trug. Der in der goldenen Bulle erwähnte silberne Stab scheint eine spätere Einrichtung zu sein, um, als die Zahl der Siegelstempel eine größere geworden war, dieselben bequemer und feierlicher tragen zu können. Vgl. Arcnival. Zeitschr. N. F. 2, 96.
  6. A. Eitel, Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter. Freiburg 1912 S. 30, 31, 57, 75. Die Siegel der Kaiserin Konstanze (I, Taf. 24, 1) sind ausnahmslos in solche Kapseln eingeschlossen, und Kehr, Die Urkunden der normannisch-sizilischen Könige. 1902. S. 8, kann nach Prüfung der zahlreichen Originale verbürgen, daß die Kapseln bei der Herstellung des Siegels angefertigt wurden und nicht erst in den Archiven der Empfänger.
  7. Vgl. II, 4. Gebrauch mehrerer Siegelstempel.
  8. Urk. Karls III. 881 9/5. MR 1619 (1576) (Or. St. Gallen) in zwei wohlerhaltenen Originalen vorhanden, deren Redaktion ziemlich verschieden lautet. An der zweiten Redaktion hängt die Bleibulle (I, Taf. 4, 2. 3), das Siegel der ersten ganz genau dem Avers dieser Bulle (I, Taf. 4, 2); es kommt sonst in Wachs nicht mehr vor. Auch der Revers der Kaisergoldbulle Maximilians I. (III, Taf. 6, 6) ist zur Wachssiegelung verwendet worden.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)