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Seitdem 16. Jahrhundert, nachdem seit Maximilian I. das Siegel für die Beglaubigung der Urkunde seine vorherrschende Bedeutung verloren, hat man mit der alten Gewohnheit, der Vernichtung der Stempel bei Todesfall, gebrochen und das große und mittlere Siegel, vereinzelt auch Sekrete, durch Änderung der Umschrift, öfters auch durch Änderung einzelner Bildteile für den nachfolgenden Siegelherren umgearbeitet und gebrauchsfähig gemacht[1].


2. Herstellung des Siegels und dessen Befestigung an den Schriftstücken

Aus der merovinger ist in die karolinger Kanzlei der Brauch herübergenommen und bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts gehandhabt worden, das Siegel durch Aufdrücken an den Urkunden zu befestigen. Regelmäßig findet sich das Siegel unten rechts auf der Schriftseite, und zwar unter der den ganzen unteren Rand einnehmenden Datierungszeile und rechts vom Rekognitionszeichen, doch lassen sich in Urkunden der älteren Karolinger Ausnahmen, bedingt durch den Mangel an Raum oder andere Zufälligkeiten, nachweisen[2].

Dieser Zusammenhang ist in der deutschen Reichskanzlei bis in die ersten Jahre Ottos I. zu beobachten, um 940 wird er vergessen, und es reißt zunächst in den Urkunden Ottos und seines Sohnes eine sehr unregelmäßige Siegelstellung ein. Sobald dann unter Otto II. das Rekognitionszeichen verschwunden ist, bewegt sich das Siegel ziemlich frei in dem Raume rechts von den Unterschriftszeilen des Königs und der Kanzlei[3].

In der Folgezeit ist die Stellung des Siegels wieder regelmäßig über der Datumzeile rechts von der Signum- und Rekognitionsformel. Erst mit dem 12. Jahrhundert tritt, wie in vielen anderen Stücken des Diplomwesens, so auch hier, große Willkür ein; das Siegel steht bald unter der Datumzeile in der rechten Ecke oder in der Mitte, bald unmittelbar unter dem Text und in der Mitte der Pergamentsbreite.

Die älteren Siegel sind, wie der Augenschein lehrt, durch Eindrücke der Fingerringe und die an deren Stelle tretenden Stempel in die auf dem Schriftstück ausgebreitete erweichte Siegelmasse aufgedrückt, so daß unter dem abgehobenen Stempel das Siegel zum Vorschein kam[4], wie auch seit dem 14. Jahrhundert die unmittelbar dem Papier angefügten, in der Regel mit Papierdecke belegten Siegel hergestellt sind, die zugleich zum Verschluß von Briefen und anderem verwendet wurden. Deshalb ist das Siegel auf der Rückseite des Pergaments, das zum Festhalten des Siegels an diesem dort angelegt war, regelmäßig vollständig platt gedrückt. Der in der Regel stark überragende Rand auf der Vorderseite des Siegels ist durch den senkrechten Druck des Ringes oder Stempels hervorgerufen, wobei die Wachsmasse neben dem Stempel ausgetreten ist. Unter der vom Druck des Stempels getroffenen Stelle hat daher das Wachs meist auch die geringste Dicke.

Vermutlich ist der in ältester Zeit zum Siegeln verwendete „Fingerring“, vor allem, wenn er eine sie zu Spezialsiegeln stempelnde Umschrift auf der Metallfassung trug[5], vom Herrscher gar nicht am Finger getragen worden, dafür spricht bei einzelnen deren Größe, die noch bedeutender wird, wenn man annehmen wollte, daß ihm auch die Siegelumschrift beigefügt ist. War aber die Gemme zu klein, so ließ sich die Umschrift auf letzterer nicht anbringen. Wir müssen deshalb ein zweifaches Vorgehen beim Siegeln annehmen.

Gemmen mit breiten Metallfassungen, welche die Umschrift tragen, sind jedenfalls bei der Siegelung getrennt verwendet worden. Schon anderwärts habe ich das Vorgehen bei Siegelung mit dem Fingerring beschrieben[6]. Zuerst wurde die Umschrift hergestellt, indem man einen je nach der Gestalt der im „Fingerring“ gefaßten Gemme, runden oder ovalen, mit der Umschrift versehenen Metallrand in das


Innung ausgeschlossen werden und sein Meisterrecht verlieren. Chmels Geschichtsforscher 1. – Nach einer Polizeiverordnung für die Handwerker in Wien vom Jahre 1527 waren nur die Goldschmiede berechtigt, Siegel zu graben, jedoch nur bekannten Personen. Wenn sie nicht überzeugt waren, daß das Siegel ehrlich und ohne Gefährde bestellt sei oder eine fremde Person Siegel oder Petschaft zu graben begehrte, so mußte dies dem Bürgermeister angezeigt werden, und die gestochenen Siegel wurden bei dem Magistrate in einem eigenen Buche verzeichnet. v. Sava, Die Siegel der österreich. Regenten S. 5. Ilgen a. O. 34.

  1. Hier ist zu verweisen auf die wertvolle Stempelsammlung der Kaiser seit Ferdinand I. im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, sowie des k. k. Ministeriums des Innern in Wien. Eine große Zahl von Stempeln wurde durch Änderung der Umschrift für den Nachfolger umgearbeitet. So sind die Stempel Leopolds II. wohl fast alle für Franz II. in dieser Weise hergerichtet worden, und in gleicher Weise seit dem 16. Jahrhundert zumeist auch die großen und mittleren Siegel der Reichskanzlei, sowie der böhmischen und ungarischen Kanzleien, deren Originalstempel nicht mehr vorhanden sind.
  2. Sickel, Acta 1, 344, Anm. 5.
  3. Archival. Zeitschr. NF 2, 104, Erben 1, 172.
  4. Ilgen a. O. I. 4, 21.
  5. Nur die frühesten Gemmensiegel, diejenigen Pippins (I, Taf. 1, 2) und seines Sohnes Karlmann (I, Taf. 1, 3), sowie das Gerichtssiegel Karls des Großen (I, Taf. 1, 5) entbehren jeder Umschrift.
  6. Posse, Lehre von den Privaturkunden 136.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0144.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)